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Veröffentlicht am 15­.05.2010

15.5.2010 - Süddeutsche Zeitung

„Das kümmert uns einen Schmarrn“

An der Basis wächst der Groll über die hartleibige Haltung besonders der katholischen Kirchenfürsten in Sachen Ökumene. Längst haben die theologischen Grundsatzstreitigkeiten nichts mehr zu tun mit dem Lebensgefühl sehr vieler Christen aus beiden Konfessionen. Und immer mehr Gläubige haben sich entschlossen, die offizielle Linie zu ignorieren.

Von Monika Maier-Albang

Gleich hinter der Eingangstür von St. Maximilian stehen die beiden gelben Wegweiser. Links für Katholiken und Orthodoxe, rechts für Lutheraner und Freikirchler. Hans-Jürgen Wallat hat sich zunächst gewundert, was das soll, doch dann ist er brav nach rechts gegangen und Manuela Reichold, seine Lebensgefährtin, hat sich in eine Bankreihe auf der linken Seite gesetzt. Erst, als alle ihren Platz gefunden hatten, wurden sie aufgeklärt. „Wie fühlt sie sich an, die Trennung?“, fragte eine Stimme über Mikrophon. „Da hatte ich bereits Bauchweh und Tränen in den Augen“, sagt Hans-Jürgen Wallat.

Zugegeben, es ist dies ein etwas drastisches Mittel, die Distanz zwischen den Kirchen zu veranschaulichen. Und vermutlich hatte kaum jemand von den rund 200 Menschen, die zu dem vom „Netzwerk Ökumene“ organisierten „Mutmach-Gottesdienst für konfessionsverbindende Paare“ gekommen waren, damit gerechnet, dass sie ein derart exzessiver „Mitmach-Gottesdienst“ erwartet. Später sind die Teilnehmer aufgerufen, sich ein auf Papier gedrucktes Straßenschild zu nehmen, das eine „persönliche Momentaufnahme der Ökumene“ spiegeln soll. Es gibt das Durchfahrt-Verboten-Schild und die Einbahnstraße, zwölf Prozent Gefälle, zehn Prozent Anstieg, die Umleitung oder den Kreisverkehr, zu dem Helmut Schroeder greift, weil er sich wünscht, dass „alles in Bewegung bleibt, damit wir Lösungen finden.“ Aus Brandenburg ist er angereist, legt seinen Arm um Ehefrau Angelika. Sie hat das Vorfahrtsschild gewählt: „Weil die Ökumene Vorfahrt haben muss.“ In Brandenburg, erzählt das Paar, sei es gar nicht so schwer mit der gelebten Ökumene, zumindest nicht für sie. Die Anordnungen von oben „kümmern uns oan Schmarrn“, sagt Schroeder in dem Bayerisch, das er in München schon aufgeschnappt hat. Die nächste katholische Kirche ist ohnehin 30 Kilometer entfernt.

Die Stimmung in St. Maximilian schwankt zwischen Hoffnung und Resignation. Alle Arten von Schildern finden einen Abnehmer. Manuela Reichhold etwa wählt das Sackgassen-Schild. Katholisch ist sie, geschieden, seit acht Jahren „glücklich“ mit dem Protestanten Hans-Jürgen Wallat liiert. Was sie sich wünsche? „Dass meine Kirche uns eine Chance gibt.“ Ihr Partner nickt. Er hat als Symbol den Kreisverkehr gewählt, weil „an der Basis zwar viel möglich ist, die Oberen sich aber im Kreis drehen“.

Die Oberen. Sie bemühen sie redlich bei diesem Kirchentag. Reinhard Marx und Johannes Friedrich, katholischer und evangelischer Gastgeberbischof, haben einen guten Draht zueinander und demonstrieren dies bei ihren Auftritten auf dem Kirchentag: Sie begrüßen bei der Eröffung die Gäste im Duett und haben vereinbart, dass überall dort, wo der eine aus Termingründen nicht sein kann, der andere ihn mitvertritt. Das Drängen des Kirchenvolkes hören sie wohl – allein, so weit sei man noch nicht, verkünden die Bischöfe. Es mache doch keinen Sinn, die katholische Seite in der Frage des Abendmahls zu provozieren, sagt Friedrich. Allerdings müsse man bei den ökumenischen Ehen weiterkommen. Die eucharistische Gastfreundschaft würde „das Leid dieser Menschen aufheben“. Diese „pastorale Lösung“ wünscht sich Friedrich möglichst bald, „in den nächsten fünf Jahren“. Theologischen Klärungsbedarf gäbe es hier keinen mehr – „es fehlen nur die Taten“. Der Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sieht das ähnlich. Er findet es „nicht nachvollziehbar“, dass diese Paare nicht gemeinsam „am Tisch des Herrn sitzen dürfen“.

Schneider selbst sitzt, als er das sagt, am Freitagnachmittag in Messehalle B2, die wegen Überfüllung gesperrt werden muss. Neben ihm Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Zwei Männer, die nicht streiten wollen, die hervorheben, dass man doch längst auf Augenhöhe miteinander spreche und loben, wie viel in den Gemeinden schon möglich sei. „Ich verstehe Ihre Ungeduld“, ruft Zollitsch ins Publikum, „und sehe sie als Stachel, dass wir nicht nachlassen sollen im Ringen“. Was die Ehen betreffe, wolle auch er „weiterbohren“ in Rom. Dafür bekommt er Applaus und auf den Hockern tuscheln sie: „Was soll der arme Kerl denn auch sagen.“

Zwei Stunden später stehen viele aus Halle B2 auf dem Odeonsplatz in der Münchner Innenstadt. Eine orthodoxe Vesper findet hier statt, von der die Veranstalter sich erhoffen, dass sie das Symbol des Kirchentags wird: Menschen, die an 1000 Tischen gemeinsam beten und essen. Die Orthodoxen haben eingeladen, der Brühler Erzpriester Constantin Miron hatte die Idee, Katholiken und Protestanten an der orthodoxen Liturgie teilhaben zu lassen: an der Feier der Artoklasia, einem Relikt der urchristlichen Agapefeier, des „Liebesmahls“.

Tatsächlich kommen so viele, dass die Tische bald belegt sind und die Menschen auf Umwegen zum Odeonsplatz geleitet werden. 10 000 finden einen Sitzplatz, noch einmal so viele müssen stehen. Von einem beeindruckenden „Zeichen der Gemeinschaft, die wir bereits erreicht haben“ spricht Alois Glück – und von einem „großen Schritt für die Ökumene“. Dann essen die Menschen das gesegnete Brot, teilen Öl, Äpfel und einander ihren Glauben mit.

Später am Abend findet noch eine „Mahlfeier“ statt, in kleinerem Rahmen. Die Reformgruppen haben dazu geladen, wieder nach St. Maximilian. Priesterlos ist diese Feier, denn ein weiteres „Priesteropfer“ à la Hasenhüttl will man vermeiden. Die Reformer haben sich schriftlich verpflichten müssen, keine unerlaubte Messe zu feiern. Also beschränken sie sich auf das Mahl – und die Menschenkette, die sich am Samstag durch die Innenstadt ziehen soll um der Forderung nach der gemeinsamen Mahlfeier Nachdruck zu verleihen.

In dem „Mutmach-Gottesdienst“ in St. Maximilian sind die Paare nicht lange getrennt gesessen. Bald hat sie die Stimme aus dem Mikrophon ermutigt aufzusehen, zu dem Partner zu gehen und ihn bei der Hand zu nehmen. Dann sind die Paare in einer langen Menschenkette durch die Kirche gezogen. Die Magenschmerzen von Hans-Jürgen Wallat waren da sofort verflogen.

Zwischenüberschrift:
Das Kirchenvolk drängt nach Einheit, aber so weit sei man noch nicht, verkünden die Bischöfe.

Zuletzt geändert am 20­.11.2010