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Veröffentlicht am 27­.11.2010

27.11.2010 - Hilpoltsteiner Zeitung

Nur für aufgeregte Seelen?

Echo auf die Äußerungen des Papstes bleibt zwiespältig

Während Skeptiker noch einen späten Aprilscherz vermuteten, sprachen Optimisten bereits von einem Wandel der katholischen Sexualmoral. Seit Erscheinen des Papst-Buches von Peter Seewald haben wir's nun Schwarz auf Weiß. Benedikt X\\\\/l. hat sich erstmals für die Verwendung von Kondomen zur Aidsbekämpfung ausgesprochen - „in begründeten Einzelfällen“. Doch gerade wegen dieser Einschränkung bleibt das Echo auf die Worte des Pontifex geteilt, wie eine Umfrage der Hilpoltsteiner Zeitung ergab.

HILPOLTSTEIN - Am Anfang war die Verwirrung. Eine Aufweichung des Kondomverbots aus dem Vatikan? „Ja, bitte! Aber warum konzentriert man sich dabei auf Randgruppen, auf Prostituierte und Transsexuelle?“. Katharina Wagner kommt „aus dem Staunen nicht heraus“. Die Katholikin, die auf 30 Jahre ehrenamtlichen Dienst in der Hilpoltsteiner Pfarrei blicken kann und zudem Mitglied in der Ökumene-Kommission des Bistums Eichstätt ist, mag „nicht in Jubel ausbrechen“, denn: „Das ist keine echte Hilfe für Betroffene“.

Wirklich vonnöten wäre die Lockerung des Verbots in den Dritt-Welt-Staaten, wo Aids am verbreitetsten sei und „Missionare mit der starren Haltung der Kirche größte Schwierigtaten“ hätten. „Vor allem die Familien dort sind es doch, die den Schutz brauchen.“ Insofern sieht Katharina Wagner im jüngsten Papstwort „nur einen winzigen, unbeholfenen Schritt in die richtige Richtung“. Mehr nicht. „Große Hoffnungen auf eine schnelle Lösung des Problems mache ich mir auf keinen Fall.“

„An der Realität vorbei“

„Unsere Sorge sind nicht die Prostituierten, sondern die Familien und die Jugend“, sagt auch Karl Graml. Der ehemalige Religionslehrer des Hilpoltsteiner Gymnasiums ist aktives Mitglied von „Wir sind Kirche“ - einer Vereinigung, die sich für demokratische Strukturen innerhalb der katholischen Kirche einsetzt. Für Graml „ist und bleibt Benedikt einer, der in der Vergangenheit lebt“. Deshalb gingen dessen Interview-Äußerungen „klar an der Realität vorbei“. Gleichwohl seien die Worte des Oberhirten „schon ein enormer Schritt für ihn, weil er sich in der Frage überhaupt einmal bewegt“. Aber: „Wenn er zum ehrlichen Dialog bereit wäre, wie's heißt, dann müsste er sich ständig solchen Frage~~ stellen. Und das tut er nicht.“

Ähnlich beurteilt Christel Gottwald aus Heideck, ebenfalls „Wir sind Kirche“-Mitglied, die Sache: „Den Dialog auszuhalten, dazu ist der Papst nicht bereit.“ Sie interpretiere seine Aussagen vielmehr als „Bonbon, um die aufgeregten Seelen von den Skandalen der jüngsten Vergangenheit abzulenken, die ja immer noch nicht aufgearbeitet sind“. Einen Liberalisierungsprozess der katholischen Kirche hinter Benedikts Äußerungen zu vermuten, hält Christel Gottwald daher schlichtweg „für überbewertet“.


„Erst einmal positiv aufgefasst“, hat Hilpoltsteins Pfarrgemeinderatssprecherin Maria Seitz die Nachricht aus Rom. Danach hätte sie sich allerdings gewundert: „Warum gilt das nur für Prostituierte?“

Es gebe sicherlich genügend gläubige Katholiken, die sich durc die Sexualmoral der katholischen~ Kirche eingeschränkt fühlten, „weil sie nicht verhüten dürfen, aber auch nicht unbegrenzt Kinder in die Welt setzen wollen“.

Maria Seitz wähnt daher „einen ganz kleinen Anfang gemacht dass sich die Kirche doch ein wenig für Fragen der Sexualität öffnet. Aber so richtig ausgereift scheint mir das eher weniger...“

„Positives Signal“

„Warum hat er nicht gleich drei große Känguru-Sprünge gemacht, sondern nur diesen kleinen Schritt?“ - Wer so denke, der begegne dem Papst unter falschen Voraussetzungen, sagt Hilpoltsteins Stadtpfarrer und Dekan Franz-Josef Gerner, Wenn man die Worte des Oberhirten nämlich „ehrlich und vorurteilslos“ in den Fokus nehme, dann seien sie als „positives Signal“ zu werten - „ein Signal, das uns sagt: Kirche ist lebendig! „, meint Gerner überzeugt.

Die derzeit zitierte „Kehrtwende in der katholischen Sexualmoral“ scheint dem Dekan allerdings etwas hochgegriffen: „Der Papst rückt schließlich nur in Einzelfällen von einem Verbot ab und wirft damit keine Prinzipien über Bord“, Demnach bleibe die eheliche Treue das was sie immer war: „der beste Schutz“.

pb

Zuletzt geändert am 23­.12.2010