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Veröffentlicht am 25­.01.2011

25.1.2011 - Main-Post

Der sprachlose Klerus

Mahnwache vor Himmelspforten: „Wir sind Kirche“ forderte Bischöfe zu Dialog und Umdenken auf

Bildunterschrift: Dialog sieht anders aus: Wortlos rauschten die Bischöfe an Journalisten und Teilnehmern einer Mahnwache von „Wir sind Kirche“ vorbei. Foto: Obermeier

Immer wenn einer der Oberklassewagen mit den verdunkelten Scheiben und den Bischöfen dahinter die Einfahrt zum Kloster Himmelspforten ansteuerte, ertönte ein Gong. Geschlagen von einer jungen Frau von „Wir sind Kirche“. Die katholische Reformbewegung hatte anlässlich der Tagung der Deutschen Bischofskonferenz am Montag zu einer Mahnwache vor dem Kloster im Würzburger Stadtteil Zellerau aufgerufen. Der Grund: Die Kirchenoberen sollen endlich in den im vergangenen Herbst angekündigten Dialog über brisante Themen wie Missbrauchsskandal und Zölibatszwang eintreten.

„Die Menschen sind enttäuscht, dass die Bischöfe noch kein Signal gegeben haben, wie dieser Dialog überhaupt gestaltet werden soll“, sagte „Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Weisner und warnte: „Die Gefahr des Aussitzens der Situation ist groß.“

Zerstrittene Bischöfe

Dabei ist die Situation der Kirche aktuell nicht die Beste: Vertrauensschwund und Austrittszahlen sind hoch. Um beidem entgegenzuwirken müssten die Bischöfe „ihre Sprachlosigkeit“ ablegen, forderte Weisner während der Mahnwache. Das Problem: Die Bischöfe sind laut Weisner untereinander zerstritten und in drei Lager gespalten. Die einen signalisierten Gesprächsbereitschaft, bei anderen wisse man nicht, woran man ist, und eine kleine Gruppe sei prinzipiell gegen Dialog und Reformen, erklärte er.

„Diese wenigen Bremser unter den Bischöfen bremsen die gesamte Bischofskonferenz“, so Weisner. Letztere sei zwar keine starke Institution und diene eigentlich nur dem Austausch über pastorale Fragen, sei aber dennoch eine gute Gelegenheit, um auf einen Nenner zu kommen. „Einige Bischöfe haben jedoch den Ernst der Lage in Bezug auf Missbrauch, Priestermangel und andere Reizthemen noch nicht erkannt“, glaubt Weisner.

Die Kirche an die Wand fahren

Dabei sind einige dieser Reizthemen – wie der Zölibat, die Beteiligung von Frauen und Laien an kirchlichen Ämtern oder die Bewertung von Sexualität – schon jahrzehntealt, erinnert Magnus Lux vom Bundesteam „Wir sind Kirche“, der an die Adresse der Bischöfe noch deutlichere Worte richtete und das geschlossene klerikale System kritisierte: „Die Bischöfe sind abgehoben, reden nicht und sind sich selbst genug.“ Und das, obwohl nicht die Kirchenleitung die Kirche sei, sondern die Gemeinde, mahnte Lux.

„Wenn sich nichts ändert, ist die Kirche in zehn Jahren an die Wand gefahren. Und zwar von oben“, fürchtet Lux. Denn wenn alles so weitergeht, „werden immer mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren oder sich selbst strukturieren“, ist er sich sicher.

Wieder biegt eine Nobelkarosse auf die Klostereinfahrt ein und bahnt sich ihren Weg durch die rund 20 Teilnehmer der Mahnwache. Wieder ertönt ein Gong. Der wird übrigens in der katholischen Liturgie bisweilen als Aufmerksamkeitszeichen zur Elevation in der Messfeier genutzt. Ob die Bischöfe in den Wagen die Wecksignale an diesem Montagmorgen gehört haben, ist allerdings fraglich.

Von unserem Redaktionsmitglied Benjamin Stahl

http://www.mainpost.de/regional/franken/Der-sprachlose-Klerus;art1727,5941668

Zuletzt geändert am 25­.01.2011