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Veröffentlicht am 05­.02.2011

Es ist höchste Zeit

Katholische Kirche muss Inhalt und Struktur erneuern

Von Jörg Wingertszahn

Es knirscht immer lauter im Gebälk der katholischen Kirche. Wie morsch die Strukturen sind nach diesem Jahr mit einem Missbrauchsskandal ungeahnten Ausmaßes, zeigt das Memorandum der 144 Theologen, die sowohl vom Papst als auch von den Ortsbischöfen „Dialog“ und „Aufbruch“ fordern – als Reaktion auf die größte Krise der katholischen Kirche seit der Reformation.

Die Forderungen selbst sind nicht neu: Es geht um die Lockerung des Zölibats, Frauenordination, Erneuerung von Macht- und Kommunikationsstrukturen, eine stärkere Beteiligung der Gläubigen und einen neuen Umgang mit Moral und Sexualität.

Überraschend ist vielmehr die Breite der Bewegung – fast jeder dritte katholische Theologieprofessor in Deutschland hat unterschrieben. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken begrüßt das Memorandum ausdrücklich, und die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ bejubelt es fast schon. Das sind nicht etwa einzelne Querulanten, die sich in den Kopf gesetzt haben, den Papst zu ärgern. Es ist eine große Bewegung, die für Millionen deutscher Katholiken steht. Millionen, die sich mit ihren Sorgen und Nöten von der Kirche nicht mehr angenommen fühlen.

Natürlich übt sich die Deutsche Bischofskonferenz in vornehmer Zurückhaltung. Gefallen kann ihr der Forderungskatalog nämlich nicht. Schließlich wünscht die Kirchenbasis auch mehr Mitbestimmung bei der Besetzung von Bischofsstühlen.

So ließ die Bischofskonferenz denn auch verlauten, einige Forderungen in dem Memorandum stünden in einigen Punkten in Spannung zu „theologischen Überzeugungen und Festlegungen von hoher Verbindlichkeit“. Was so viel heißt wie: Das ist nicht verhandelbar. Kämen Bischöfe und Papst Forderungen wie nach einer Lockerung oder Abschaffung des Zölibats nach, hieße das ja, einen Fehler einzugestehen. Benedikt XVI. – der als junger Bischof pikanterweise selbst am Pflichtzölibat zweifelte – befürchtet wohl, damit einen unumkehrbaren Selbstauflösungsprozess einzuleiten.

Ignorieren sollten die deutschen Bischöfe das Memorandum nicht. Im Gegenteil: Es ist höchste Zeit, mit dem Dialog Ernst zu machen, den die Bischofskonferenz selbst im vergangenen Herbst angeregt hat. Diejenigen, die sich jetzt zu Wort melden, sind nämlich auch diejenigen, die noch zur Kirche halten und sie restaurieren und nicht etwa abreißen wollen. Alle anderen haben ihr ohnehin schon den Rücken gekehrt. Und darunter waren nicht nur streitbare Theologen wie der Saarbrücker Gotthold Hasenhüttl, sondern viele „einfache“ Katholiken, die schlicht enttäuscht sind.

http://www.saarbruecker-zeitung.de/aufmacher/leitartikel/leitartikel-saarbruecker-zeitung-wingertszahn-Katholische-Kirche-struktur;art222429,3620582

Zuletzt geändert am 05­.02.2011