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Veröffentlicht am 08­.02.2011

8.2.2011 - Kölner Stadt-Anzeiger

Die gespaltene Kirche

Von Joachim Frank

Basiskatholiken contra Salonkonservative - das ist ein Konflikt, den die katholische Kirche offenbar nicht lösen kann. Auch die Theologieprofessoren werden mit ihrem jüngsten Reformappell keineswegs den "Befreiungsschlag" landen, den einige Unterzeichner beschwören.

Glaubt ein Katholik fester an Gott, wenn sein Pfarrer heiraten darf? Sind die Gottesdienste besser besucht, wenn die Kirche schwule Partnerschaften billigt?

Dieses rhetorische Katz-und-Maus-Spiel offenbart die Misere der kirchlichen Reformdebatte. Nach immer demselben Muster bringt die eine Seite ihre Reizthemen aufs Tapet: den Pflichtzölibat abschaffen, Frauen zu den Weihen zulassen, die Sexualmoral liberalisieren, den Laien mehr Kompetenzen geben. Die andere Seite wittert unheilvolle Konzessionen an den Zeitgeist. Das eigentliche Revitalisierungsprogramm der Kirche besteht für sie aus Gebet und Gottesdienst und Treue zur Tradition.

Passenderweise wird dieser Streit stets von den gleichen Protagonisten geführt: Für Strukturreformen werben die Basiskatholiken von "Wir sind Kirche", das ZdK und weite Teile der akademischen Theologie. Dagegen stehen - selbstredend - der Vatikan, das Gros der Bischöfe sowie ein kleiner, aber eloquenter Teil der Laien. Ihnen assistiert eine Schar von Salonkonservativen, die im real existierenden Katholizismus den Antitypus sehen zu einem als lax und wertevergessen empfundenen postmodern-linken Mainstream.

Solch einen verfahrenen Konflikt zu lösen überfordert selbst eine mit Ritualen so vertraute Institution wie die Kirche. Auch die inzwischen 200 Theologieprofessoren werden mit ihrem jüngsten Reformappell keineswegs den "Befreiungsschlag" landen, den einige Unterzeichner beschwören. Vielmehr paddeln sie wieder einmal laut platschend im Wassergraben um ihre kirchenpolitische Festung und signalisieren der anderen Seite: "Wir sind noch da." Die erhoffte Bewegung werden sie nicht erreichen. Denn der Vatikan und seine hierarchischen Vorposten werden alle ihre Vorschläge als sattsam bekannten Aktionismus zulasten der katholischen Identität abtun.

Das ist umso bedrückender, als das vorige Jahr genügend Anlass geboten hätte, Bastionen zu schleifen. Der Missbrauchsskandal hat eben nicht nur das gewissenlose, verbrecherische Treiben einer (viel zu großen) Zahl von Geistlichen bloßgelegt, sondern auch die Frage nach der Mitverantwortung der Institution Kirche ins Zentrum gerückt.

Es gab eine Phase, in der die Notwendigkeit tiefgreifender Veränderungen bis ins Bewusstsein höchster kirchlicher Autoritäten vorgedrungen zu sein schien. Verstummt waren die notorischen Schönredner und Gesundbeter - oder als solche entlarvt, wenn sie glaubten, sich beschwichtigend zu Wort melden zu müssen. Doch die produktive (Ver-)Störung war nur von kurzer Dauer. Die Bischöfe betrachten ihr Krisenmanagement mit verschärften Leitlinien und Präventionsmaßnahmen als erfolgreich. Und der Papst hat sich für die Perwoll-Variante entschieden: Über die heilige Kirche hat sich der "Schmutz" des Skandals gelegt; eine gründliche Reinigung, und schon strahlt sie wieder. Mit diesem spiritualisierenden Ansatz sind soziologisch-strukturelle Anfragen wie die der 200 Theologen nicht übereinzubringen. Während noch - scheinbar gemeinsam - um die Zukunft der Kirche gerungen wird, führt die aktuelle Debatte den tiefen Bruch vor Augen. Die Kirchenspaltung ist in vielen Köpfen längst vollzogen.

http://www.ksta.de/html/artikel/1296657100795.shtml

Zuletzt geändert am 08­.02.2011