8.2.2011 - Neue Westfälische
"Wenn nicht jetzt, wann dann?"
Dr. Manfred Dümmer (M.,) Mitbegründer von "Wir sind Kirche" auf Ebene des Erzbistums, lebt seit 1986 in Bielefeld. "Wir sind Kirche" im Erzbistum zählt nach seinen Angaben einen Kern von 20 bis 30 Aktiven, aber "mehrere hundert" Förderer. Beklagt einen "längst überfälligen Dialog"
Paderborn. Als Handball-Hymne hat der Song Kultstatus. Es gibt auch eine Version für Fußball-Fans. "Wenn nicht jetzt, wann dann?" Vielleicht hat das Lied der Kölner Musikgruppe ,,Höhner" sogar das Zeug zu einem neuen Kirchenlied - zu einem Choral unzufriedener Christen.
Dr. Manfred Dümmer, Sprecher der Reformgruppe "Wir sind Kirche" im Erzbistum Paderborn, hat den Titel des Liedes zum Motto des Protestes erklärt, mit dem während der Paderborner Frühjahrstagung der Deutschen Bischofskonferenz im März vor der Paderborner Bischofskirche dem Ruf nach innerkirchlichen Reformen Nachdruck verliehen werden soll. Dümmer zitiert die "Höhner": "Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht hier, sag’ mir wo und wann? Wenn nicht wir, wer sonst? Es wird Zeit. . ."
Gerade erst haben sich 144 Theologieprofessoren, unter ihnen die an der Universität Paderborn lehrenden Bernhard Lang, Klaus von Stosch und Angelika Strotmann, in der Süddeutschen Zeitung mit dem Memorandum "Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch" zur Wort gemeldet, da steuert Paderborn auf das Frühjahrstreffen der Bischöfe zu. Erstmals tagt vom 14. bis 17. März eine Vollversammlung der Bischöfe aller 27 deutschen Diözesen an der Pader. Es ist die letzte Konferenz vor dem nächsten Papst-Besuch in Deutschland, der für September angesagt ist. Geleitet wird die Paderborner Tagung vom Freiburger Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, dem Chef der Bischofskonferenz. Er war es, der nach der Herbsttagung 2010 eine "Dialoginitiative" der Bischöfe ausgerufen hat. Doch ausgerechnet in der gastgebenden Diözese der Frühjahrstagung ist es nach Meinung von "Wir sind Kirche" um Dialog und Dialogbereitschaft nicht zum Besten bestellt. Noch nie habe der seit 2003 amtierende Erzbischof Hans-Josef Becker auf Gesprächsbitten und offene Briefe von "Wir sind Kirche" geantwortet, sagte Manfred Dümmer im Gespräch mit der NW.
Beckers Aussage, er reagiere generell nicht auf offene Briefe, ist für Dümmer mit jener "Dialoginitiative" nicht vereinbar. Dieser Dialog soll auf einer Mahnwache vor dem Paderborner Dom während der Frühjahrstagung nachdrücklich eingefordert werden. Dazu werde "Wir sind Kirche" bundesweit aufrufen. Der genaue Tag steht noch nicht fest. Aber wegen der Terminierung der Frühjahrstagung wird es ein Werktag sein. Dennoch hofft der Bistumssprecher der Initiative, dass sich möglichst viele Christinnen und Christen "guten Willens" vor dem Dom einfinden. Unter anderem, um zu singen. "Auch wenn’s so irgendwo einfach nicht mehr weitergeht. Lass es raus, sprich dich aus, irgendwann ist es zu spät." Zeilen, die ebenfalls aus "Wenn nicht jetzt, wann dann?" stammen.
Manfred Dümmer: ,,Solange nicht die Bischöfe und der Papst zu einem Dialog ohne Denkverbote und zu Entscheidungen zur Zukunftsfähigkeit der Kirche bereit sind, wird die Glaubwürdigkeit der römisch-katholischen Kirche weiter massiv sinken."
Mehr Verantwortung für die Laien, eine Abschaffung des Zölibats, die Zulassung von Frauen zum Priestertum - das sind Kernforderungen der Initiative, die aus dem "Kirchenvolksbegehren" von 1995 hervorgegangen ist. Auch im Erzbistum Paderborn schreite angesichts des Priestermangels die Zusammenlegung von Gemeinden zu immer größeren Einheiten weiter voran. Dümmer: "Das geht so lange so weiter, wie immer noch ein Priester da ist, der einen noch größeren Riesenverbund leiten kann." Mit Gemeindepastoral habe das nichts mehr zu tun. "Das sind anonyme Bezirke." Dass viele Katholiken angesichts solcher "XXL-Pfarren" (Memorandum) resigniert oder ihrer Kirche enttäuscht den Rücken gekehrt haben, kann Dümmer verstehen. Er selbst hat die Hoffnung auf einen Dialog noch nicht aufgegeben. Der 60-jährige Umweltwissenschaftler ist Mitglied des Kirchenvorstands und Lektor seiner Gemeinde St. Meinolf in Bielefeld.
Dass die Bischöfe im März für ihre Paderborner Tagung auf Kosten der Kirchensteuerzahler das Vier-Sterne-Hotel "Welcome" als Tagungsstätte gebucht haben, kann Dümmer angesichts der erheblichen Raumkapazitäten gerade in katholischen Einrichtungen der Bischofsstadt "kaum nachvollziehen". Er denkt an das Leokonvikt, das 1996 sogar als Papst-Hotel diente, oder an die Dom-nahe Bildungsstätte Liborianum, die sich ausdrücklich für "Tagungen in klösterlichem Ambiente und zentraler Lage" empfiehlt. Manfred Dümmer: "Wenn nicht jetzt, wann dann?"
Drei Professoren der Paderborner Uni haben das Memorandum "Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch" mit unterzeichnet. Professoren der Theologischen Fakultät Paderborn haben ihren Namen nicht unter das Papier gesetzt. "Es handelt sich um eine Stellungnahme der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie. Wir als Fakultät sind nicht gefragt worden", sagt deren Rektor Professor Dr. Berthold Wald. Einige Professoren der Fakultät hätten als Mitglieder der Europäischen Gesellschaft entschieden, nicht zu unterschreiben. Wald kann dies verstehen, denn das Memorandum, das allein der Mobilisierung der Öffentlichkeit diene, bestehe aus "sattsam bekannten Forderungen", die hier in Vollständigkeit aufgelistet seien, und einer "oberflächlichen Diagnose". Er als Philosoph könne darin nur "viel Naivität und Unverfrorenheit" erkennen, kritisierte Wald gegenüber der NW. Das Papier erwecke den Eindruck, als müssten Christen vor der Institution Kirche geschützt werden. "Auf die Idee ist noch niemand gekommen. . ." Von der vom Theologen Johann Baptist Metz bereits vor Jahren konstatierten Glaubenskrise werde "gar nicht mehr geredet".(st)
http://www.nw-news.de/lokale_news/paderborn/paderborn/4236012_Wenn_nicht_jetzt_wann_dann.html
Zuletzt geändert am 10.02.2011