| |
Veröffentlicht am 13­.03.2011

12./13.3.2011 - Ostwestfalen-Lippe

„DieGegnersind inder Überzahl“

INTERVIEW:Manfred Dümmer, Sprecher der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“

Bielefeld/Paderborn. Bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz kommende Woche in Paderbornwill die katholischeReformbewegung „Wir sind Kirche“ öffentlich den Dialog einfordern. Mit dem Sprecher der Bewegung für die Bistumsgruppe Paderborn, Manfred Dümmer, sprach Simon Blomeier.

Herr Dümmer,zahlreiche Theologen fordern in einer Anfang Februar veröffentlichten Erklärung, 2011 müsse ein Jahr des Aufbruchs für die katholische Kirche werden. Hat dieser Aufbruch begonnen?

MANFRED DÜMMER:Schwierige Frage. Man hofft eigentlich, dass er schon seit der letzten Bischofskonferenz in Freiburg begonnen hat. Dort hatte Bischof Robert Zollitsch angeboten, die Dialoginitiative zu starten. Wennmanallerdings neuereÄußerungen von ihm hört, kann manschon wieder Zweifel daran bekommen. Es gab schon viele Aufbrüche in der katholischen Kirche, aus denennichts entstanden ist. Aber das Hoffen ist ja eine typisch christliche Institution. Deshalb hoffe ich, dass der Aufbruch begonnen hat.

Was muss sich konkret in der katholischen Kirche ändern?Woliegen Defizite?

DÜMMER: Auf der einen Seite haben wir in der Gesellschaft – und zwar nicht nur in Deutschland – eine Glaubenskrise, ganz unabhängig von der Institution Kirche. Auf der anderen Seite gibt es organisatorische Probleme wie den Zölibat oder eine notwendige Verfassung der Kirchengemeinden. Warum können Frauen nicht Priesterinnen werden? Die Kirche muss erst mal wieder glaubwürdig werden, so dass christliche Inhalte auch wieder glaubwürdig transportiert werden können. Das geht aber nur,wenndie organisatorischen Probleme gelöst werden. Also in dieser Reihenfolge: erst die Organisation,danndie Glaubenskrise anpacken?

DÜMMER: Mindestens parallel. Ich muss den Eindruck haben, dass die Kirche mir etwas sagenkann, weil sie auchselbst versucht, in den eigenen Reihen für Reformen zu stehen und diese umzusetzen– nicht nur denDialog anzukündigen, sondern ihn wirklich auch zu wollen. An den Taten erkennt man sie, nicht an den Worten.

Packt die Deutsche Bischofskonferenz die Probleme entschieden genug an?

DÜMMER:Bischof Zollitsch rudert jetzt mit seinen Dialogforderungen zurück, weil er innerhalb der Bischofskonferenz eine Menge Gegendruck bekommen hat. Es gibt sicher einige liberal eingestellte Bischöfe. Wahrscheinlich sind aber die Reformgegner in der Überzahl.

Wird der Laienstand ausreichend gewürdigt?

DÜMMER:Hier gibt es ein sehr, sehr großes Defizit. In der katholischen Kirche können Dinge von oben vom Papst selbst bis in die kleinste Gemeinde delegiert werden. Das steht dem biblischen Verständnis vollkommen konträr gegenüber.

Warum hält die Kirche an ihrem hierarchischen Prinzip fest?

DÜMMER: Fragen Sie mich etwas Leichteres. Mit gesundem Menschenverstand ist das nicht nachzuvollziehen. Bei den Entwicklungen zu Riesenpfarreien managen die Laien heute schon die Gemeinden. Pfarrer sind froh darüber, weil sie es de facto gar nichtmehrselber leisten können. Aberöffentlich über das Kirchenrecht festgelegt wird es nicht. Der Pfarrer hat nach wie vor immer ein Vetorecht. Muss das sein? Ganz negativ ausgedrückt würde man sagen: Es geht alleine um Macht. Aber die Kirche hat eigentlich einen ganz anderen Anspruch als Macht.

Ist die protestantische Kirche Ihnen in diesem Punkt einen Schritt voraus?

DÜMMER: Zumindest was die theoretische Verfassung angeht, weil sie seit der Reformation den Anspruch hat, dass jede Stimme zählt. In der katholischen Kirche zählt dieStimmegar nicht. Letztlich wird alles zentralistisch entschieden.

Wie nimmt die Kirche Ihre Reformforderungen auf?

DÜMMER: Es gibt einige Bischöfe, bei denen unsere Vorschläge auf fruchtbaren Boden stoßen. Im Bistum Paderborn haben wir allerdings noch nicht einmal die Spitze eines Fußes in dieTürbekommen.

Erzbischof Hans-Josef Becker hat kein offenesOhr für Sie?

DÜMMER: Es hat bisher kein Gespräch stattgefunden, keiner unserer Briefe ist beantwortet worden. Im Augenblick gibt es da keinen Gesprächsfaden. Bischof Beckers Devise wird sein, nicht in WiderpartzumPapst zu kommen. Das kann man bedauern, aber es ist so. Ich sage: Ohne den Dialog geht überhaupt nichts.

Die katholische Kirche entschädigt Missbrauchsopfer jetzt mit 5.000 Euro. Ist die Sache damit beendet?

DÜMMER: Die Pflicht zur Begleitung durch die katholische Kirche bleibt, solange die Opfer leben. Die Entschädigung ist nur ein Zeichen der Anerkennung. Letztlich kann man die Taten gar nicht bezahlen.

Eine abschließende Frage: Haben Sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt, aus der katholischen Kirche auszutreten?

DÜMMER: Ich kann nicht versprechen, ob ich in fünf oder zehn Jahren noch Mitglied sein werde, wenn nicht zumindest Ansätzevon Reformen zu erkennensind. Wennmansich irgendwann mit einer Institution nicht mehr identifizieren kann, bleibt amEnde nur der Austritt.

Zuletzt geändert am 13­.03.2011