15.3.2011 - nw-news.de
"Wir haben eine Kirchenleitungskrise"
VON WOLFGANG STÜKEN
Paderborn. Das Medieninteresse ist groß. 130 Journalisten aus Presse, Hörfunk und Fernsehen haben sich zur Frühjahrstagung der deutschen Bischöfe in Paderborn angemeldet. Ein Zeichen dafür, dass hohe Erwartungen an diese Konferenz geknüpft werden.
Diese Erwartungen gelten vor allem dem Dialogprozess zur Zukunft der Kirche, den der Konferenzvorsitzende Dr. Robert Zollitsch angesichts der gegenwärtigen Krise der Kirche im Herbst 2010 angestoßen hat. Er hoffe, dass die Bischöfe, was diesen Dialog betrifft, "einen gemeinsamen Weg nach vorn finden", äußerte Zollitsch gestern vor Konferenzbeginn. Er sei zuversichtlich, dass sich eine Reihe von Bischöfen "aktiv in diesen Prozess einbringen werden". Zollitsch nannte den Dialogprozess einen "eindeutigen Schwerpunkt" der Paderborner Tagung.
Bezüglich des Dialogprozesses gehe es den Bischöfen "nicht um Konfrontation, sondern um Brückenbau", sagte der Konferenzvorsitzende. Auch über einen Brief der Bischöfe zum Dialogprozess an die Gemeinden, der seit Monaten überfällig ist, soll im Welcome-Hotel gesprochen werden.
Dass es mit diesem Prozess "langsamer vorangeht als wir damals gedacht haben", liegt laut Zollitsch auch daran, dass hier die Meinungen von 27 deutschen Diözesan zusammengeführt werden müssen. "Und das kann etwas länger dauern."
Nach Meinung der Reformbewegung "Wir sind Kirche" darf es nicht länger dauern. Dieser "unendlich wichtige Dialog" sei der zentrale Begriff dieser Frühjahrstagung, meinte Christian Weisner, Sprecher des "Wir sind Kirche"-Bundesteams. Wenn die Kirche nicht zu diesem Dialog fähig werde, "verliert die große Institution ihre Glaubwürdigkeit", sagte Weisner. Seit Herbst habe es im angekündigten Dialogprozess keine Fortschritte gegeben. Das führte Weisner darauf zurück "dass unter den Bischöfen die Bremser die Oberhand gewonnen zu haben scheinen". Und noch eine Vermutung äußerte er auf der Pressekonferenz von "Wir sind Kirche" zum Paderborner Treffen: "Die Bischofskonferenz steht sich selbst im Wege. Sie ist von Rom aus zur Handlungsunfähigkeit verdammt."
Weisner sprach "nicht von einer Kirchenkrise, sondern von einer Kirchenleitungskrise". Er hoffe, dass die Bischöfe in Paderborn konkret sagen, wie ein Dialogprozess zur Zukunft der Kirche, der "gleichberechtigt und ohne Tabus" geführt werden müsse, ausgestaltet werden kann.
Nach Angaben Weisners haben in den letzten 21 Jahren 2,8 Millionen Menschen der katholischen Kirche in Deutschland den Rücken gekehrt. Das entspreche der Katholikenzahl von Rheinland-Pfalz und des Saarlandes. Dass es nach Schätzung von "Wir sind Kirche" allein 2010 mehr als 180.000 Austritte gab, wies der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, kurze Zeit später als "völlig daneben" zurück.
"Hier und jetzt in Paderborn sollte der Dialog beginnen", lautete der dringende Appell , den Christian Weisner aus dem Hotel Ibis an das nur wenige hundert Meter entfernte Welcome, das Tagungshotel der Bischöfe, richtete. Die Bischöfe müssten "endlich ein konkretes Zeichen des Dialogs senden". Die Theologin Dr. Magdalene Bußmann von der Leserinitiative Publik und Mitglied im Bundesteam von "Wir sind Kirche", warnte die Bischöfe davor, "die Sache des Evangeliums sehenden Auges zu verspielen". Der emeritierte Theologieprofessor Dr. Johannes Brosseder (Köln) verglich den gegenwärtigen "Reformstau" in der katholischen Kirche mit dem Zustand, der einst in Deutschland 150 Jahre lang gedauert habe – vor der Reformation.
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Zuletzt geändert am 15.03.2011