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Veröffentlicht am 14­.03.2011

14.3.2011 - Magazin Pressesprecher

Gesprächszeit

Durch die Missbrauchsfälle erschüttert, steckt die Katholische Kirche weiterhin in einer tiefen Vertrauenskrise. Eine langfristige Dialoginitiative soll nun das Vertrauen zurückgewinnen. Passiert ist seit der Ankündigung wenig. In den Reformbewegungen der Kirche macht sich Unmut breit.

Für die Katholische Kirche war das vergangene Jahr hart. Die aufgedeckten Missbrauchsfälle, der Umgang mit den Opfern, eine Vielzahl von Kirchenaustritten. Die Katholische Kirche steckt in einer tiefen Vertrauenskrise. Eine Dialoginitiative soll das verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen und einen Rahmen für mögliche Veränderungen ausloten. Durch die Ankündigung der Dialoginitiative durch ein Impulsreferat von Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, bei der Herbst-Vollversammlung in Fulda schöpften viele Gläubige Hoffnung auf eine offen geführte Debatte über die Zukunft der Katholischen Kirche in Deutschland. Doch schon der als erster Schritt im November angekündigte Brief an die Gemeinden blieb aus. Viele Dialog- und Reformbefürworter sind enttäuscht und fordern nun immer lauter ein deutliches Zeichen von Seiten der Kirche, um die Ernsthaftigkeit ihrer Dialogabsicht zu beweisen. Für die Katholische Kirche scheint die Gefahr eines weiteren Vertrauensverlusts größer denn je.

GESPRÄCHSBEDARF

Den Vorwurf, dass die Dialoginitiative nicht ernsthaft verfolgt würde, weist Matthias Kopp, Pressesprecher und Leiter der Stabstelle Kommunikation der Deutschen Bischofskonferenz, entschieden zurück. „Es kann in keiner Weise die Rede davon sein, dass der Prozess nicht in die Gänge gekommen sei“, sagt Kopp, „Der Dialogprozess ist Ende September 2010 von den deutschen Bischöfen beschlossen worden und Anfang November gab es eine gemeinsame Tagung der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.“ In dieser Zeit seien viele inhaltliche Punkte besprochen und auf den Weg gebracht worden, deren Einzelheiten jedoch erst Mitte März bekannt gegeben werden sollen. Für Christian Weisner, Pressekontakt im Bundesteam der Kirchenvolksbewegung ‚Wir sind Kirche‘, schwer nachvollziehbar. „Es ist verständlich, dass bei der Pressekonferenz zum Abschluss der Bischofskonferenz im September noch keine Details genannt werden konnten. Doch auch seitdem gab es viel Schweigen und erst wenige vage Aussagen“, sagt er. er Dass es Gesprächsbedarf gibt, zeigt unter anderem der Trendmonitor Religiöse Kommunikation 2010. Die von der kirchlichen Medien Dienstleistung in Auftrag gegebene Studie kommt unter anderem zum Ergebnis, dass insbesondere bei den ‚heißen‘ Themen wie dem Pflichtzölibat für Priester oder der offizellen Lehre über Verhütung, die Zustimmung unter den befragten Katholiken gering ist.

AUFMERKSAM MACHEN

Seit Jahren versucht die Kirchenvolksbewegung die Debatte über mögliche Veränderungen und Transformationen in der römischkatholischen Kirche im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten. „Wir begrüßen den Schritt, den die Bischöfe endlich mit der Ankündigung eines Dialogs gemacht haben“, sagt Weisner. Die Intensität, mit der die Debatte über Reformen derzeit geführt werde, zeige wie sehr es innerhalb der Katholischen Kirche brodele. Aus diesem Grund organisiert die Bewegung Mahnwachen, stellt sich als Ansprechpartner für Journalisten zur Verfügung und betreibt eine detailreiche Internetseite. „Wir sind bei unseren Aktionen recht flexibel. Für spontane Aktionen können wir über eine Mailingliste schnell ein paar Leute vor Ort aktivieren“, sagt Weisner. Das passende Beispiel ist die Mahnwache anlässlich der Sitzung des Ständigen Rates der Deutschen Bischofskonferenz in Würzburg Ende Januar. Eigentlich hatte die Kirchenvolksbewegung schon wetterbedingt abgesagt. „Doch dann hat es sich doch als notwendig erwiesen, dass wir vor Ort sein würden und wir haben das spontan realisiert“, sagt Weisner. Über eine Mailingliste gelang es schnell ein paar Vereinsmitglieder zu organisieren, die sich auch bei Regen vor den Toren der „Himmelspforten“ in Würzburg zusammenfanden. „Wir stehen mit unseren Mahnwachen und anderen Aktionen für die Mehrheit des Kirchenvolkes und wollen die Kirchenleitung vor allem ermuntern den angekündigten Weg endlich offen und sichtbar zu beginnen“, sagt Weisner.

OFFENER BRIEF

Ende Januar wurde ein offener Brief prominenter katholischer CDU-Politiker publik. Die Unionspolitiker, unter ihnen Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundesbildungsministerin Annette Schavan, forderten die deutschen Bischöfe auf, angesichts des Priestermangels in Deutschland, auch verheiratete Männer zur Priesterweihe zuzulassen, denen aufgrund ihres Ehestands bislang das Priesteramt verweigert wurde. Nur wenige Tage darauf veröffentlichte ein aus acht Theologen bestehendes Redaktionsteam ein Memorandum mit dem Titel ‚Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch‘. Mittlerweile haben rund 260 katholische Lehrende das Memorandum unterzeichnet. Mit freundlichen und doch bestimmten Worten fordern die Theologen eine tiefgreifende Kirchenreform: das Ende des Pflichtzölibats, Frauen als Geistliche und die Beteiligung der Gläubigen an der Auswahl des Bischofs. Doch das Memorandum ist nicht unumstritten. Im Internet sammeln Unterstützer und Kritiker auf unterschiedlichen Portalen Unterschriften. Erzbischof Zollitsch erteilte den Diskussionen um eine Abschaffung des Zölibats per Gastbeitrag für die „Welt am Sonntag“ eine deutliche Absage. Dialog ja, aber bei „nicht wenigen“ hätte die Dialogankündigung zu dem Missverständnis geführt, schon lange bekannte Anliegen erneut in die Diskussion bringen zu müssen. Es sei vielleicht nicht vermeidbar, gewiss aber nicht hilfreich, Forderungen in Form einer Mängelliste an die Kirche zu richten.

ERSTE ANSÄTZE

Doch in einigen der Bistümer laufen bereits die ersten Dialoge. So etwa im Erzbistum Freiburg. Seit Mai vergangenen Jahres macht das Erzbistum gezielt zusätzliche Dialog-Angebote per Telefon und Internet. In einer Mitteilung heißt es: Das Erzbistum biete allen Katholiken persönliche Gespräche an, die beispielsweise durch den Missbrauchsskandal emotional verunsichert seien, die die Kirche verlassen haben oder sich diesen Schritt überlegen würden. „Wir haben mit den Angeboten gute Erfahrungen gemacht“, sagt Robert Eberle, Pressesprecher des Erzbistums und Leiter Stabsstelle Kommunikation des Erzbischöflichen Ordinariats in Freiburg. Viele Anrufer hätten sich nicht allein gemeldet, um sich zu beschweren oder ihren Austritt zu erklären, sondern vielfach seien es auch Anrufer gewesen, die sich für ihren Austritt entschuldigen wollten. Auch die Zwischenergebnisse einer Online-Befragung des Erzbistums Freiburg sind ein Zeichen wie sehr von Seiten der Gläubigen das Gespräch gewünscht wird. Kurz nach Ankündigung der Dialoginitiative, wurde diese am 3. Oktober freigeschaltet. Ende Oktober hatten bereits mehr als 1.000 Teilnehmer teilgenommen. „Viele der Teilnehmer haben dabei nicht nur unsere Fragen beantwortet, sondern auch selbstständig Vorschläge für einen Dialog eingereicht“, sagt Robert Eberle.

DIALOGBEGINN

Die im September angekündigte bundesweite Dialoginitiative befindet sich noch in der Vorbereitung. Gestartet werden soll sie in den kommenden Monaten. „Die Wegmarken beraten die deutschen Bischöfe bei ihrer Vollversammlung in Paderborn Mitte März“, sagt Matthias Kopp. Bis dahin möchte man sich nicht genauer äußern. Die Angst ist groß, dass schon jetzt viele Dinge in der Öffentlichkeit falsch aufgegriffen oder Ansätze zerredet würden. Erste Hintergrundgespräche mit Journalisten würden allerdings geführt. „Hinter den Kulissen wird fleißig gearbeitet“, sagt Eberle, „Wir entwickeln Fragen, entwerfen Plakate und Internetseiten, die man zur Kontaktaufnahme und für Gespräche nutzen kann.“ Dass die Kirche bisher zu wenig über die Dialoginitiative nach außen kommunizieren würde, sieht Eberle nur für die Vorbereitungsphase bis Mitte März. „In einer so wichtigen Vorbereitungsphase muss man nicht auf jeden Zug aufspringen und sich nicht zu jeder Debatte äußern“, sagt Eberle. „Auch in der Kommunikation gehen wir den Dialog nicht blauäugig an. Dazu ist der zu wichtig.“ Vielmehr soll die gesamte Aufmerksamkeit für den Start der Initiative gebündelt werden. „Und wenn der Dialog dann richtig anläuft, bin ich überzeugt davon, dass es auch zu Veränderungen kommen wird“, sagt Eberle.

TEXT: JUDITH SCHULDREICH

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Zuletzt geändert am 16­.03.2011