18.3.2011 - Süddeutsche Zeitung
Dialog mit Denkverboten
Von Matthias Drobinski
Paderborn – Die Konferenzen der katholischen Bischöfe sind nicht öffentlich, und so lungern auch im Paderborner Welcome-Hotel die Journalisten vor der Absperrung herum und warten auf geflüsterte Sätze der Herren in Schwarz, die in der Kaffeepause mal schnell aufs Zimmer wollen. Man sei auf einem „guten Weg“, sagt einer – aha. Der Vorsitzende habe den Prozess angestoßen, jetzt werde er umgesetzt, raunt ein anderer – hm. Man dürfe nicht zu hohe Erwartungen wecken, damit es nicht zu viele Enttäuschungen gibt, lässt sich ein Dritter kurz vor dem Fahrstuhl entlocken; „am Ende sind wieder alle friedlich“, sagt ein Vierter, und das stimmt sicher. Am Ende einigen sich die deutschen 69 Bischöfe und Weihbischöfe ohne Gegenstimme darauf, den Dialog mit den Gläubigen geräuscharm weiterzuführen, den Robert Zollitsch, der Freiburger Erzbischof und Konferenzvorsitzende, im September mit einigem Pathos ausgerufen hatte.
Vier Jahre lang wollen sich die Bischöfe nun „eine besondere Klärung und Vergewisserung in Bezug auf das Zeugnis der Kirche in der Welt und ihre Sendung zu den Menschen“ vornehmen, wie Zollitsch am Donnerstag den Journalisten erklärt. Diese Klärung betreibt erst einmal jeder Bischof nach seinen Vorstellungen in seinem Bistum. Auf Bundesebene soll es bis 2015 jedes Jahr einen Kongress geben, den ersten dieses Jahr im Juli in Mannheim, den letzten dann 2015, fünfzig Jahre nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils. 300 Delegierte sollen dort über Themen wie „Martyria in der Kirche: Den Glauben bezeugen in der Welt von heute“ beraten.
Die gemeinsame Konferenz der Bischöfe und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken redet nun also über „Priester und Laien in der Kirche“ und über die „Präsenz der Kirche in Gesellschaft und Staat“. Ein Brief, überschrieben mit „Im Heute Glauben“ soll noch vor Ostern die Gläubigen erreichen: Der „Wandel der Lebensverhältnisse“ stelle „viele Selbstverständlichkeiten in Frage“, heißt es dort. Die „jüngst aufgedeckten Fälle sexuellen Missbrauchs“, seien ein Anlass für den Gesprächsbedarf, die Ursache aber liege „im Auseinanderbrechen von Evangelium und heutiger Kultur“. Krisenzeiten seien „Gnadenzeiten“; die Bischöfe danken allen, die sich Gedanken machten über die Zukunft der Kirche, allerdings sollten „manche Kirchenvisionen, die heute verbreitet werden, emotional abgerüstet werden“.
„Ist halt ein Kompromiss“, hat einer der Männer in Schwarz im Vorbeihuschen gesagt. Einer, dem der Dialogprozess am Herzen liegt, hat die Fastenhirtenbriefe der 27 Diözesanbischöfe ausgewertet – 14 erwähnen das Wort Dialog, 13 nicht, das zeigt, warum der Bußakt der Bischöfe am Montagabend im Paderborner Dom so formelhaft war, warum nun der Dialogprozess so organisiert ist, dass jeder Bischof selbst entscheidet, was er unter Dialog versteht und wo er endet. Immerhin versandet das Gespräch nicht ganz, wie mancher Bischof wollte, was auch an Zolltitschs geschickter Strategie lag, den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode als Reformer und den Essener Franz-Josef Overbeck als Konservativen in eine Vorbereitungsgruppe mit dem durchsetzungsstarken Münchner Kardinal Reinhard Marx zu stecken. Overbeck aber stellt gleich nach dem Abschluss-Mittagessen die Grenzen des Gesprächs klar: Über die Lockerung des Zölibats, das Priestertum der Frau, eine Neubewertung der Homosexualität werde nicht geredet, das seien „lehramtlich geklärte Themen“.
Sollten sich die mehr als 300 Theologen, die in einem Memorandum von ihrer Kirche neues Nachdenken fordern, je an die Erfüllung ihres Wunsches geglaubt haben – jetzt dürften sie ihren Wunsch begraben können. Auch wenn später Zollitsch freundlicher hinzufügte, reden müsse man selbstverständlich über die Themen, nur falsche Erwartungen wecken solle man nicht, auch dürfe man sich nicht von den „vielleicht 30“ Demonstranten von der Reformgruppe „Wir sind Kirche“ beeindrucken lassen.
Und sonst? Noch einmal redet Zollitsch den Abgeordneten des Bundestags ins Gewissen, Nein zur umstrittenen Präimplantationsdiagnostik zu sagen. Und dann findet im teppichgedämpften Raum des Hotels doch noch das seinen Weg, was den Rest der Welt bewegt: Die Bischöfe seien schockiert und „sehr traurig“ angesichts der Katastrophe in Japan, sagt Zollitsch. Am kommenden Sonntag soll in allen katholischen Kirche für die Opfer gebetet werden. Und für einen schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie ist die deutsche Bischofskonferenz nun; die Technik müsse „neu bewertet werden“. „Wir müssen aus der Atomkraft raus, raus, raus“, hat der Eichstätter Bischof Hanke am Mittag sichtlich betroffen gesagt. Da ist es, das reale Leben.
Genauso droht nun der Dialogprozess, mit dem die Bischöfe einen Teil des verlorengegangenen Vertrauens zurückgewinnen wollen, ein Akt der Selbstbeschäftigung zu werden: Ja, mancher Hirte ist da über seinen Schatten gesprungen – aber über den inneren Kreis der Kirche hinaus interessiert das keinen. Berührt es einen, den eine unbestimmte Sehnsucht in eine Kirche getrieben hat, dass nun Robert Zollitsch, 73, echt offen mit Alois Glück, 70, redet? Dass die Bischöfe die Jahresthemen „Diakonia“, „Liturgia“ und „Martyria“ ausgerufen haben? Der Dialogprozess ist eine Veranstaltung zur Verbesserung des Binnenklimas, und da ist er dringend nötig. Nach außen dürfte davon aber wenig dringen.
Jedes Jahr nimmt die Zahl der Katholiken in Hunderttausender-Schritten ab – der Verlust des Durchschnitts-Christlichen in Deutschland ist eine der tiefsten gesellschaftlichen Veränderungen der Gegenwart. Die Antwort der Bischöfe in Paderborn lautet: Sorry, aber wir haben mit uns zu tun.
mad
Zuletzt geändert am 18.03.2011