18.3.2011 - Westfalen-Blatt
»Eine Revolution wird es nicht geben«
Von Reinhard Brockmann Paderborn (WB). »Eine Revolution wird es nicht geben «: Mit diesen Worten hat Erzbischof Robert Zollitsch gestern die Beschlüsse der Deutschen Bischofskonferenz in Paderborn zusammengefasst.
Zum Ende der viertägigen Frühjahrsvollversammlung steckte der Vorsitzende des 69-köpfigen Bischofskollegiums einen Zeitplan ab, der im Dialog mit Laien und Kirchenkritkern bis zum Jahr 2015, im Blick auf die Ökumene sogar bis 2017 reicht.
Die von Zollitsch im Herbst angestoßene Dialoginitiative mit Laien und kirchenkritischen Gruppen wurde in Paderborn strukturiert. Dazu soll ein Brief an die Gemeinden gehen. Es gebe Anzeichen dafür, dass sich die Kirche in einer Übergangssituation befinde, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Die eigentlichen Fragen lägen sogar noch tiefer als die erheblichen Verwerfungen, die durch den Missbrauchskandal aufgedeckt wurden.
Mit Blick auf Vorstöße aus den Laiengremien, von kirchenkritischen Gruppen und dem jüngsten Memorandum von zunächst 144 katholischen Hochschullehrern heißt es, es gebe viele Vorschläge für Veränderungen. Beraten werden solle über erweiterte Zugangswege zum Priesteramt und auch mehr Mitbestimmung. Zunächst müsse die erregte Debatte jedoch »emotional abgerüstet« werden. Weiter heißt es in dem vorbereiteten Schreiben an die Gemeinden: »Wir sehen die reale Gefahr, dass wir uns in unserer Kirche so zerstreiten, dass Brücken abgebrochen und die bestehende Einheit aufgegeben wird«. In den kommenden vier Jahren soll es mehrere Gesprächsforen geben.
Das unter Mitwirkung von Kardinal Reinhard Marx, München, und Bischof Franz-Josef Bode, Osnabrück, vorgelegte Konzept sieht zwei Ebenen vor. In den Bistümern sollen nicht zusätzliche Veranstaltungen Motor des Austausches sein, sondern vorhandene Begegnungsforen genutzt werden. Die Bischofskonferenz selbst will zusätzlich zweitägige Jahrestreffen anbieten. Das erste im Juli in Mannheim mit etwa 300 Teilnehmern steht unter dem Motto »Im Heute glauben, Wo stehen wir?«. Auch Projekte mit dem Zentralkomitee deutscher Katholiken, sowie der Papstbesuch 2011, die Katholikentage 2012 und 2014 rechnet Zollitsch dem neuen Dialog zu.
Christian Weisner, Sprecher der Kirchenvolksbewegung, zeigte sich enttäuscht darüber, dass wichtige Themen ausgeschlossen sind. Zollitsch verwies auf den fehlenden Handlungsspielraum in Grundsatzentscheidungen der Weltkirche etwa zum Zölibat, zum Frauenpriestertum und in der Bewertung der Homosexualität.
Schon am Morgen hatte Kardinal Marx gepredigt, zentral sei und bleibe die Frage nach Gott. Diskussionen um Strukturen und Veränderungen wolle er nicht einfach beiseite schieben, aber über allem stehe die Suche des Gläubigen nach »dem Geheimnis, das größer ist als alles, was wir denken und aussprechen können.«
Auch Pater Hans Langendörfer, Sekretär der Bischofskonferenz, blickte gestern vor der Presse über die Struktur- und Reformfrage hinaus. »Die Vitalität der Kirche hängt davon ab, ob wir den Glauben unter den Bedingungen der modernen Gesellschaft leben und weitergeben können.« Paderborns Erzbischof Hans-Josef Becker betonte, der Gesprächsprozess könne nur auf dem Boden der kirchlichen Glaubens- und Lehrtradition stattfinden. Diese Klarstellung sei sehr hilfreich. Becker: »Mit der Perspektive 2014 sind wir ja im Erzbistum Paderborn mitten in wichtigen Gesprächen zur Zukunft und Gestalt der Kirche und des Glaubens.«
Ihm selbst, so Becker, sei in den Beratungen in dieser Woche vor allem der Mittwoch als Tag der Ökumene wichtig gewesen. Die Weiterführung des ökumenisch- theologischen Dialogs sei dringend notwendig und deutlich bekräftigt worden.
Die Bischöfe wollen 2015 den Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahre 1965 feiern. Zum 500. Jahrestag der Reformation 2017 wollen sie aus den Ideen des Konzils heraus eine weitere Annäherung an den Protestantismus finden.
Ziel der Ökumene sei die Wiederherstellung einer für alle sichtbaren Einheit, sagte Erzbischof Zollitsch: »Was gewachsen ist in den Kirchen der Reformation, muss erhalten und eingebracht werden in die neue Einheit.« Selbstbewusst stellte er auch fest, dass in den vergangenen Jahrzehnten die katholische Kirche deutlicher auf die evangelische Seite zugegangen sei als das aus seiner Sicht umgekehrt erfolgte.
Zollitsch bekräftigte im Namen der Bischofskonferenz die kategorische Ablehnung der Präimplantationsdiagnostik. Die katholische Kirche gehe in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Forschung davon aus, dass mit der Vereinigung von menschlicher Eiund Samenzelle ein neuer Mensch entstanden ist.
Daraus ergibt sich konsequent, dass die Präimplantationsdiagnostik (PID) unter keinen Umständen zugelassen werden kann, da diese Technik aus sich heraus mit der Selektion und der Tötung von menschlichem Leben einhergeht. Die katholische Kirche plädiert daher für ein Verbot der PID ohne Ausnahmen durch den Gesetzgeber.
Zuletzt geändert am 23.03.2011