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Veröffentlicht am 25­.03.2011

25.3.2011 - Publik-Forum

Bloß keine Revolution

Die katholischen Bischöfe Deutschlands wollen den Dialog mit dem Kirchenvolk kanalisieren. Brisante Themen grenzen sie aus

Von Thomas Seiterich

Über Fragen, die das Lehramt definitiv geklärt hat, wie das Priestertum der Frau, die Priesterweihe für verheiratete Männer und die Frage der Homosexualität werden wir nicht diskutieren«, betont Franz-Josef Overbeck, der Bischof von Essen. Und der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, bekräftigt lächelnd: »Es wird keine Revolution geben.« Die Frauen und Männer der Kirchenreformbewegung Wir sind Kirche, die die Frühjahrsvollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in Paderborn begleiten, sind entsetzt: Einzelne Themenbereiche werden von vornherein verboten; Fragen, die den Leuten auf den Nägeln brennen, ausgegrenzt. Wie soll da der Weg der katholischen Kirche aus ihrer dramatischen Glaubwürdigkeitskrise gelingen?

Jetzt leutet die Verheißung »Dialog«: Mit einer Serie von deutschlandweiten und diözesanen Konferenzen wollen die Bischöfe ihre Kirche aus der tiefen Krise führen. Wie nie zuvor sichtbar wurde diese Kirchenkrise Anfang 2010 mit der Aufdeckung des vielfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Priester. Seitdem sind die Kirchenaustritte sprunghaft gestiegen. Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung Wir sind Kirche, rechnet mit über 180 000 Austritten aus der katholischen Kirche deutschlandweit im vergangenen Jahr. Offizielle Gesamtzahlen liegen noch nicht vor.

Geplant: Ein Brief an die Gemeinden

Ein »breiter Dialogprozess« soll nun also die Probleme lösen, wünscht sich Erzbischof Zollitsch. Hierüber soll es demnächst einen »Brief an die Gemeinden« geben. Bis ins Jahr 2015, der Fünfzigjahrfeier des Zweiten Vatikanischen Konzils, hat der frühere Personalchef der Großdiözese im liberalen Baden diesen Dialogprozess vorausgeplant und beschließen lassen – einstimmig. Keiner der Bischofskollegen stellte sich quer – obwohl sie sehr unterschiedlich auf den Missbrauchsskandal reagiert hatten und höchst verschieden mit den Gläubigen in ihren Bistümern umgehen.

Doch der Preis für das einstimmige Ja zur Dialoginitiative ist hoch: Denn sie ermächtigt jeden der Bischöfe, diesen Prozess nach eigenem Gutdünken in seinem Bistum zu steuern. Mancher Oberhirte wird die Teilnehmenden einseitig auswählen, andere werden hoffentlich auch mit kritischen, bislang ungehörten Stimmen aus dem Kirchenvolk ins Gespräch kommen wollen.

Die große Enttäuschung

Die große Enttäuschung über das Vorhaben der Bischöfe liegt darin, dass die Themen des Dialogprozesses aus einer rein innerkirchlichen Perspektive formuliert sind, noch dazu in einer Klerikalsprache, die den allermeisten Gläubigen fremd ist. Die Jahresthemen lauten: »2012: Diakonia der Kirche – Unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft; 2013: Liturgia der Kirche – Die Verehrung Gottes heute; 2014: Martyria der Kirche – Den Glauben bezeugen in der Welt von heute.«

Das sollen die Themen sein, die die Menschen brennend beschäftigen? Den weitesten inhaltlichen Spielraum bietet noch die Auftaktveranstaltung am 8. und 9. Juli in Mannheim, für die das Thema gewählt wurde: »Im Heute glauben – wo stehen wir?«

Auf dem Tisch der Oberhirten lag auch ein konkreter Dialogvorschlag: das Memorandum 2011: Kirche im Aufbruch, das mittlerweile von über 300 Theologieprofessorinnen und -professoren sowie von rund 65 000 weiteren Christinnen und Christen unterzeichnet wurde. Die Theologinnen und Theologen fordern mehr Beteiligung der Gläubigen auf allen Feldern kirchlichen Lebens, die Stärkung der Ortsgemeinden, verheiratete Priester, Frauen in kirchlichen Ämtern, eine faire Rechtskultur in der katholischen Kirche, einen Stopp »des selbstgerechten Rigorismus« und das Ende der Ausgrenzung von Homosexuellen und wiederverheirateten Geschiedenen.

Das Memorandum der Theologen? Vom Tisch gewischt

Soll auch über diese Themen gesprochen werden? Nein. Hans Langendörfer, Jesuit und langjähriger Sekretär der Bischofskonferenz, wischt das Memorandum beiseite. Die katholische Kirche komme in die Zukunft, wenn sie im Blick auf Jesus Christus zeugnisfähig werde, »nicht jedoch durch das Abarbeiten einer Mängelliste«, wie sie die Theologen vorgelegt hätten.

Düstere Aussichten also für den Dialogprozess! Wenn die brennende Not der zunehmend priesterlosen Pfarreien, die überall zu XXL-Gemeinden fusioniert werden, von den Bischöfen nicht wirklich als Thema zugelassen wird, wird die Dialoginitiative zu einer verlogenen Veranstaltung. Die schon stark ramponierte Glaubwürdigkeit der Kirchenleitung würde noch mehr zerstört.

Allenfalls »Voten« werde er nach Rom weiterleiten, stellt der – gemessen am Meinungsklima der Bischofskonferenz – liberale Erzbischof Zollitsch in Aussicht. Doch ob das wirklich – und mit Nachdruck – geschehen wird, muss man bezweifeln.

Es steht in diesem Dialogprozess nichts weniger auf dem Spiel als die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland. Mangelt es in dem nun beginnenden Dialogprozess an Fairness und unvoreingenommener Offenheit, dann droht sich die Erfahrung zu wiederholen, die die Katholiken in der Schweiz und in Österreich machen mussten.

Der »Dialog für Österreich« – ausgerufen 1998 in größter Glaubwürdigkeitsnot angesichts des Skandals um den uneinsichtigen Pädophilen auf dem Wiener Erzbischofsstuhl, Kardinal Hermann Groer – endete für die meisten Beteiligten aus dem Kirchenvolk mit tiefem Frust und anhaltender Enttäuschung. Warum? Weil die Bischöfe auf Zeit spielten und damit die Kritiker und Reformer letztlich auflaufen ließen. Ähnliches ist für Deutschland zu befürchten.

In der Schweiz hat sich die katholische Kirche in den hartnäckigen Konflikten um aggressive Herrscherbischöfe wie den ehemaligen Churer Oberhirten Wolfgang Haas regelrecht »zerlegt«. Mit der Folge, dass die katholische Kirche einen Großteil ihres öffentlichen Gewichts und ihrer Glaubwürdigkeit einbüßte und das Wort der Bischöfe mittlerweile als nahezu belanglos abgetan wird, wenn in der Schweizer Bürgerdemokratie ethisch relevante Volksabstimmungen anstehen.

Der Kniefall von Paderborn

Wie schwer sich die Bischöfe mit dem Dialog tun, war in Paderborn zu beobachten. Auf dem Platz vor der Kathedrale haben sich Dutzende Missbrauchsopfer zur Demonstration versammelt. Sie haben den Boden mit weißen Zetteln wie mit Schneeflocken zugepflastert. Auf den Zetteln stehen ihre Forderungen nach echter Entschuldigung und Entschädigung.

Währenddessen leitet im Dom Erzbischof Robert Zollitsch den »Kniefall von Paderborn«, den öffentlichen Bußakt der katholischen Bischöfe. Die Zeichen und Formulierungen legen offen, dass es diesem Bußakt zuvörderst um den innersten kirchlichen Kreis geht, nicht um die Menschen, die zu Opfern wurden und nicht selten für ihr ganzes Leben geschädigt sind. Denn keiner der Hierarchen findet den Weg zu den Missbrauchsopfern draußen vor der Tür.

Zollitsch erklärt, der Bußakt richte sich an Gott. In ihrer eigenen Zeichensprache machen die Oberhirten klar, dass es ihnen ernst sei: Sie ziehen durch die Rote Pforte in den Dom ein, durch die historische Gerichtstür und nicht durch das Triumphtor, sie wählen den Eingang der Sünder. Vor einem Baum- und Lebenskreuz aus dem 14. Jahrhundert bekennen sie gemeinsam ihre Scham und Schuld. Es fehlen Bischofsstab und Mitra, die Insignien bischöflichen Machtanspruchs. Doch wer unter den Zeitgenossen ist imstande, solcherlei Zeichen zu verstehen?

Es hatte zuvor interne Auseinandersetzungen unter den Oberhirten über diesen Kniefall gegeben. Manchen ging das Zeichen zu weit. Franz-Josef Bode, der Bischof von Osnabrück, hatte als einziger deutscher Bischof bereits im November vergangenen Jahres ein öffentliches Zeichen der Reue gesetzt, indem er sich bäuchlings auf den Boden des Doms legte, und die Opfer der kirchlichen Täter um Vergebung bat.

Das mit dem Paderborner Bußakt gesetzte Zeichen wirkt nicht, weil es Buße nicht gibt als Ergebnis eines Deals unter Kirchenherren. Die selbstmitleidige Klage schließlich – wer von den Außenstehenden sollte sie verstehen? »Da knien sich 69 Bischöfe hin und erwarten öffentlichen Beifall; doch die Gesellschaft klatscht nicht«, sagt Matthias Katsch. Der Kommunikationstrainer steht auf dem windigen Platz vor dem Dom. Er ist der Sprecher der Initiative Eckiger Tisch, einer Vereinigung derer, die in den 1970er- und 1980er-Jahren an Jesuitenschulen missbraucht wurden.

Die katholischen Bischöfe setzen auf »Sendung«. Sie wollen das Gesetz des Handelns bestimmen. Ihr Vorhaben ist es, den Dialog zu kanalisieren und kontrollieren. Doch mit solcherart kaum verschleiertem Zwang und mit noch so geschickter Manipulation wird ihr Vorhaben scheitern.

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Zuletzt geändert am 24­.03.2011