15.3.2011 - Westfalen-Blatt
»Die Bremser haben die Oberhand«
Paderborn (WB/rb)
Nicht besonders zahlreich, wohl aber mit schwer wiegenden Argumenten zeigten sich die Kritiker gestern am Rande der Bischofskonferenz.
Am Morgen sind es eine Handvoll Demonstranten vor dem Tagungshotel, am Abend vor dem Dom vier Dutzend Vertreter der Reformgruppen, der Missbrauchsopfer und anderer Streiter für gleiche Rechte, die sich deutlich bemerkbar machen.
»Wir appellieren an die deutschen Bischöfe, endlich konkrete Zeichen zu setzen, dass der Dialog jetzt hier in Paderborn beginnt«, sagt Christian Weisner. Der Sprecher von »Wir sind Kirche« klagt, die Verweigerung von Gesprächen habe die Kirche in die Sackgasse geführt. Auch weil die »Bremser in der Bischofskonferenz die Oberhand zu gewinnen scheinen«, braucht es für ihn den Austausch zwischen Laien und Leitung. Anders sei verlorene Glaubwürdigkeit nicht wiederzugewinnen.
Weisner ist Mitinitiator des Kirchenvolksbegehrens, das 1,8 Millionen Unterschriften 1995 sammelte. Seit kurzem liegt ein Memorandum von zunächst 144 Theologieprofessoren auf dem Tisch. Bis gestern stellten sich 63279 Gläubige dahinter. In dem Papier werden die Abschaffung des Zölibats, das Frauenpriestertum und Synoden verlangt.
Zur kritischen Masse zählt Weisner auch die jährlich um die 200 000 Menschen, die aus der Kirche äustreten. Das bestreitet der Sprecher der Bischöfe, Matthias Kopp: »Die Hochrechnung liegt völlig daneben.«
Magdalena Bußmann, feministische Theologin aus Essen, sieht als letztes Mittel gegen dialogunwillige Bischöfe den Entzug der Kirchensteuern. Die streitbare Dame schlägt die Umwidmung von Kirchensteuern zulasten der Amtskirche vor.
Schon einmal, habe es einen ähnlich großen Reformstau in der Kirche gegeben, erinnert Professor Johannes Brosseder aus Köln. Vor Martin Luthers Reformation seien Rufe nach Veränderung 150 Jahre lang verhallt. Das sollte zu denken geben. Die Kernforderungen des Memorandums sind für Brosseder das »Minimum an Lösungsvorschlägen«. Der Ruf nach einem »richtigen Synodalwesen« ist für ihn keine Sensation. In der Ostkirche sei das bis heute selbstverständlich und ein Erbe aus den Anfängen des Christentums. Er schlägt vor, Priester und Bischöfe wieder aus den Gemeinden und Bistümern heraus zu wählen.
Wilma Kagebein aus Holzminden gehört ebenfalls dem Bundesteam von »Wir sind Kirche« an. Sie befasst sich seit neun Jahren mit dem Missbrauch. 2010 hätten sich 150 Betroffene von ihr beraten lassen, weil sie den amtlichen Stellen nicht trauten. Die Entschädigung von 5000 Euro hält sie für fragwürdig. Es handele sich um einen Höchstbetrag und die angebotene Hilfe von 100 Stunden .beim Psychotherapeuten sei auch entschieden zu wenig. Viele Opfer müssten jahrelang behandelt werden. »Die Bischöfe bitten Gott um Vergebung, sie sollten die Opfer darum ersuchen.«
Erzbischof Zollitsch widerspricht nicht: »Die erste Bitte um Vergebung liegt bei den Tätern, wir haben die Betroffenen dazu aufgefordert. «
Zuletzt geändert am 25.03.2011