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Veröffentlicht am 04­.03.2011

4.3.2011 - Badische Zeitung

"Die deutsche Kirche ist nicht der Nabel der katholischen Welt"

BZ-INTERVIEW:Der Freiburger Theologe Helmut Hoping kritisiert das Memorandum seiner Kollegen und erklärt, warum die Kirche eine Hierarchie bleiben wird. FREIBURG. Die Wogen schlagen hoch in der katholischen Kirche: 31 700 Unterzeichner unterstützen das Reformmemorandum deutschsprachiger Theologen, 9000 das Gegenpapier "Petition pro Ecclesia" – und auch prominente Katholiken verfallen dabei in eine wenig christliche Wortwahl. Der Freiburger Theologieprofessor Helmut Hoping hat keins der Dokumente unterzeichnet. Jens Schmitz ließ sich von ihm erklären, warum der Streit eskaliert.

BZ: Herr Hoping, die deutschen Bischöfe hatten doch zum Dialog eingeladen. Trotzdem wirken die Themenvorschläge katholischer Politiker und Theologen nun wie ein Stich ins Wespennest. Warum gehen die Emotionen so hoch?

Hoping: Man muss unterscheiden zwischen dem Vorstoß einiger CDU-Politiker zum Zölibat und dem Memorandum. Was mich am Memorandum zunächst irritiert, ist die Verbindung mit dem Missbrauchsskandal. Glauben die Unterzeichner ernsthaft, dass zum Beispiel verheiratete Priester das kirchliche Amt krisenfester machen? Die Analyse der Kirchenkrise, die das Memorandum diagnostiziert, geht zudem viel tiefer, es ist eine Krise des Glaubens. Die zukünftige Sozialgestalt der Kirche kann meines Erachtens auch nicht in einer Selbstsäkularisierung der Kirche zur Sicherung der pastoralen Versorgung bestehen.

BZ: Ein Teil der Forderungen in diesem Bereich zielt auf mehr Demokratisierung.

Hoping: Was in der christlichen Antike noch möglich war, zum Beispiel die Bischofswahl durch das Volk, müsste man heute differenzierter bestimmen. Zur katholischen Kirche gehören zwar synodale Strukturen, die eine Partizipation der Gläubigen ermöglichen. Die katholische Kirche ist aber nicht basisdemokratisch verfasst, sondern wesentlich hierarchisch. Denn zu ihrem Wesen gehört die Leitung durch die Gemeinschaft der Bischöfe in der Einheit mit dem Papst, bei dem die Letztentscheidungskompetenz liegt. Über Glaubensfragen kann nicht abgestimmt werden.

BZ: Wer definiert diese Struktur als wesentlich? Es sind keine Jesus-Worte bekannt, dass das so zu sein hat. Dafür aber seine Warnung vor denen, die lange Gewänder tragen, also vor den Würdenträgern der damaligen Zeit.

Hoping: Die katholische Kirche unterscheidet sich von den kirchlichen Gemeinschaften der Reformation darin, dass sie als verpflichtende Instanz ihres Glaubens nicht nur die Heilige Schrift hat, sondern auch die authentische, verbindliche Glaubenstradition. Der Zölibat gehört zur Identität der katholischen Kirche, doch wären hier Änderungen möglich. Anders ist das bei der Frage der Frauenordination, die Papst Johannes Paul II. definitiv für die katholische Kirche ausgeschlossen hat. Über die Frage der Frauenordination einen offenen Dialog führen zu wollen, ist somit reichlich naiv. Nicht nur an dieser Stelle, auch bei der Frage der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften bis hinein ins kirchliche Amt ist das Memorandum kontraproduktiv. Es spaltet. Es spaltet ganze Fakultäten. Es wird auch Gemeinden spalten.

BZ: Ist nicht das Problem, dass Dissens per se als Spaltung erlebt wird, statt ihn auszudiskutieren?

Hoping: Es gibt Fragen, die den Glauben der Kirche berühren und solche, die das nicht tun, aber gleichwohl nur weltkirchlich gelöst werden können. Selbst die Frage des Zölibats ist letztlich nur weltkirchlich zu beantworten. Hier aber gibt es ein klares Plädoyer des Zweiten Vatikanischen Konzils und der letzten Bischofssynode pro Zölibat. Die deutsche Kirche, auch die Erzdiözese Freiburg mit ihrem Klerus, muss lernen, dass sie nicht der Nabel der katholischen Welt ist. An die eigentlichen Ursachen der Kirchenkrise kommt das Memorandum überhaupt nicht heran: die Erodierung des Glaubenswissens und der religiös-kirchlichen Bindung sowie die Krise des christlichen Kultes. Ich glaube, dass Theologen, aber auch Bischöfe, viel zu wenig über die Bedeutung der Liturgie für die Identität der katholischen Kirche nachdenken.

"Weniger wäre eindeutig mehr gewesen."

BZ: Könnten Sie das erklären?

Hoping: Es wird heute sehr unterschiedlich Eucharistie gefeiert, sehr oft gegen die liturgische Ordnung der Kirche, mit eigengestrickten Gebeten, Texten und Riten. Dies verändert auf Dauer den Glauben und das Gottesbild, das auch unter Christen übrigens immer diffuser wird. Ähnliches ließe sich über den staatlich garantierten Religionsunterricht sagen, der oft zu keiner christlichen Bildung mehr führt. Wer das bestreitet, verschließt die Augen vor der Wirklichkeit. Das christliche Glaubenswissen schwindet, und so kann man dann auch einseitig mit einer nicht näher definierten Freiheitsbotschaft des Evangeliums argumentieren. Eine christliche Freiheit ohne die Wahrheit des Glaubens aber gibt es nicht.

BZ: Inzwischen hat der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, in der "Welt" Stellung zu der Diskussion bezogen. Wie schätzen Sie seine Erklärung ein?

Hoping: Die Erklärung, die überfällig war, ist theologisch sehr beachtlich. Zudem klärt sie für die Frage des Zölibats die Diskussionslinien. Ich meine aber, dass die Bischöfe bei ihrer Vollversammlung im März noch mehr sagen müssen, nicht nur zur Frage des Zölibates, sondern zum Beispiel auch zur Forderung nach Frauenordination. Es kann nicht sein, dass einzelne Bischöfe ständig diese Frage ins Spiel bringen. Es gibt drei Punkte, die im Dialogprozess diskutiert werden sollten: zwar nicht die Aufgabe der gemeinschaftlichen zölibatären Lebensform, wohl aber viri probati, das heißt in Beruf und Ehe bewährte Männer, die zum Beispiel nach Abschluss der Familienphase nebenberuflich, ergänzend zu zölibatär lebenden Priestern, als priesterliche Mitarbeiter tätig sind. Zweitens müssen wir eine Lösung für wiederverheiratete Geschiedene finden. Drittens brauchen wir eine universal- und ortskirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit. Beim Forderungskatalog des Memorandums wäre weniger eindeutig mehr gewesen.

http://www.badische-zeitung.de/deutschland-1/die-deutsche-kirche-ist-nicht-der-nabel-der-katholischen-welt--42133007.html

Zuletzt geändert am 09­.05.2011