11. August 2006 - Süddeutsche Zeitung
„Dem Papst stünde mehr Bescheidenheit an“
Von Susi Wimmer
Christian Weisner ist gläubig. Er ist Katholik, Kirchgänger, und seine Frau engagiert sich in der Kirchengemeinde. Christian Weisner ist aber auch ein kritischer Geist, einer der führenden Köpfe in der bundesweit aktiven Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“. Als solcher sieht Weisner den Papstbesuch Anfang September mit Skepsis. Die „Inszenierung und die Kosten“ erinnern ihn an den Weltjugendtag 2005, „der zum Weltpapsttag mutierte“. Und jetzt also ein Papstbesuch in München „mit Event-Charakter“. „Ich glaube nicht, dass man damit mehr Menschen zum Glauben führt“, sagt Weisner. Und: „Dem Papst stünde mehr Bescheidenheit an.“
Christian Weisner ist von Beruf Verkehrsplaner, er wohnt in Dachau. In kirchlichen Dingen aktiv ist er „schon, seit ich denken kann“. Und schon immer stieß er sich an so manchen Regularien in der katholischen Kirche. Als 1995 in Österreich das Kirchenvolks-Begehren startete, schwappte die Welle nach Deutschland, und Weisner war von Anfang an mit dabei, an „einer Erneuerung der römisch-katholischen Kirche auf der Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils“ mitzuarbeiten. Die Kirchenvolksbewegung entstand – mit Zielen wie der vollen Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche, einer freien Wahl der Priester, ob sie im Zölibat leben wollen, und beispielsweise auch einer positiven Bewertung der Sexualität.
„Wir sind nicht gegen den Papst“, sagt Weisner klipp und klar. Wenn er aber von Besuchs-Kosten in Höhe von angeblich 50 Millionen Euro höre, den gewaltigen Medienaufmarsch beobachte, und sich das Programm mit den Staatsoberhäuptern anschaue, dann komme er ins Grübeln. „Wird er sich nur mit den Oberen unterhalten?“, fragt Weisner sich dann. Oder wird Benedikt XVI. auch an der Basis nachfragen, wo denn der Schuh drückt?
Dass die katholische Kirche massive Probleme hat, steht für den Reformer außer Frage. Der Priester-Nachwuchs bleibe aus, Einrichtungen wie katholische Kindergärten oder Schulen seien immer weniger zu halten, die Kirche entwickle sich „zur Großeinheit und entfernt sich vom Menschen“. McKinsey, der die Kirche in Deutschland bei Erneuerungen beraten hat, sprach von „Eucharistie-Standorten“ und vom „Versorgungsgrad“. „Da geht es nicht mehr um Kontakte und um Menschen“, meint Weisner.
In frühen Jahren, erzählt der kritische Katholik, habe er Ratzinger als Theologen erlebt, der sich für Kollegialität und Ökomene ausgesprochen habe. „Wenn man ihn an den Taten misst, kommt das nicht so rüber.“ Deshalb werde er in München als stiller Beobachter dabei sein, wenn der Papst den Leuten zuwinkt. Und genau hinhören, „ob Benedikt XVI. die Kirche in Deutschland ermutigt“ und ob er auf die Laien zugeht, „von denen sich viele aus der Kirche ausgeschlossen fühlen“. Vielleicht wird Weisner auch einen Blick auf Ratzinger im Papamobil erhaschen. Dabei muss Weisner immer an Jesus denken. „Die katholische Kirche beruft sich ja auf Jesus“, sagt er. Und ob der so medienwirksam in ein Papamobil gestiegen wäre? In Jerusalem ist er auf einem Esel eingeritten.
Zuletzt geändert am 14.08.2006