8.7.2011 - Süddeutsche Zeitung
24 Stunden Dialog
Das Ganze sei ein Experiment, sagt Alois Glück, aber er sei optimistisch, dass es gelingen werde – „wenn niemand ausgegrenzt wird, wenn einer dem anderen zuhört, man offen über die Zukunft der katholischen Kirche nachdenken kann“. Alois Glück ist Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), der Vertretung der Verbände und Diözesanräte, des engagierten Kirchenvolks sozusagen – und damit erster Ansprechpartner jener Dialoginitiative, die an diesem Freitag in Mannheim beginnen und bis zum Jahr 2015 gehen soll, und mit dem die größte Institution der Bundesrepublik aus der Krise kommen will. Da ist Optimismus fast schon Pflicht, so fällt auf, wie oft Glück „wenn“ sagt. Es bedeutet: Das Experiment kann auch schief gehen. Und wenn Experimente schief gehen, fliegen oft die Fetzen.
300 Delegierte treffen sich also auf Einladung der Bischofskonferenz und ihres Vorsitzenden Robert Zollitsch für genau 24 Stunden. Die Teilnehmerliste führt zwölf Bischöfe und 13 Weihbischöfe auf, von den 21 Professoren dort haben eine Handvoll jenes Memorandum unterschrieben, in dem mehr als 300 Hochschullehrer grundlegende Reformen in der Kirche fordern. In den 24 Stunden von Mannheim trifft sich das gehobene Kirchenvolk und trägt in wechselnd zusammengesetzten Arbeitsgruppen zusammen, was derzeit die Stärken und die Schwächen der katholischen Kirche sind.
Auch Robert Zollitsch, der Erzbischof von Freiburg, investiert einigen guten Willen in das Auftakttreffen mit dem sperrigen Titel „im Heute glauben“. „Wir brauchen sehr dringend die Fähigkeit, besser aufeinander zu hören“, hat er vor dem Treffen gesagt, und dass die Kirche der Zukunft eine „dienende, hörende und pilgernde Kirche“ sein solle. Die Erwartungen, die Bischöfe und Laienvertreter in das Treffen haben, gehen aber weit auseinander. Zollitsch betont, dass die 300 versammelten Katholiken „kein Beschlussgremium“ seien; die Beratungen, eingebettet in Gebet und Gottesdienst, sind für ihn ein „Geschehen, in dem der Heilige Geist zugegen ist und wirkt“. Alois Glück hätte es da schon gern konkreter: Das Verhältnis von Priestern und Laien müsse in den Zeiten des Priestermangels neu diskutiert werden; ohne neue Formen der Gemeindeleitung drohe vielerorts das Leben in den Pfarreien in zehn Jahren zusammenzubrechen. Bei den Bischöfen ist der Dialog zu Ende, wenn es um das Frauenpriestertum geht oder den Umgang mit Geschiedenen, die wieder heiraten – das weiß das ZdK auch. Mehr Beweglichkeit erhofft man sich offenbar bei der Frage nach der künftigen Rolle des Kirchenvolkes.
Doch auch da ist der Rahmen begrenzt: Aus der Sicht des Vatikans dürfen Laien weder predigen noch einer Gemeinde vorstehen. So erwartet Christian Weisner, der Sprecher der Reformgruppe „Wir sind Kirche“, einen Dialog mit Grenzen: „Ich fürchte, am Ende bleibt nur: Gut, dass wir so gut über alles geredet haben.“
Matthias Drobinski
Zuletzt geändert am 09.07.2011