25.6.2011 - Süddeutsche Zeitung
Der Marienverehrer
Von Max Hägler
Passau – Es ist dies die eine Sicht, die offizielle, die wohlklingende: „Er ist einer, der es nie leicht hatte und es sich nie leicht machte“, so würdigt das Passauer Bistum in einer Erklärung seinen Chef, Bischof Wilhelm Schraml. Falsch ist das nicht, aber doch ein wenig unvollständig – denn es gibt nicht wenige, die beim Stichwort Schraml anfangen von „Diktatur“ und „Verletzungen“ zu reden. Und von der übergroßen Papsttreue dieses Mannes, der an diesem Wochenende gleich mehrere Jubiläen feiern kann.
Wilhelm Schraml wurde in der Oberpfalz geboren, hat früh seine Mutter verloren, wurde von der Tante und im Internat erzogen und fand schon früh seine Aufgabe: „Mit 15 Jahren bin ich in die Marianische Congregation eingetreten und wuchs im Laufe der Jahre in die Marienfrömmigkeit hinein.“ Der „ganz gerade Weg ins Priestertum“ sei das gewesen, sagt der Bischof. An diesem Sonntag feiert Schraml sein 50. Priesterjubiläum. Dazu die Bischofsweihe vor 25 Jahren und die Besetzung des Passauer Bischofsstuhls vor zehn Jahren. Und schließlich feiert er auch seinen 76. Geburtstag. Selbst für die sonst scharfzüngige evangelische Dekanin Edda Weise ein Grund zum Gratulieren. Ihr Kollege sei ein sehr ernsthafter Christ, von Lebensklugheit geprägt, wie etwa sein Verhalten bei der Missbrauchsdebatte gezeigt habe. Und erst jüngst habe man bei einem Buchprojekt gut zusammengearbeitet.
Innerhalb der katholischen Kirche sind dagegen durchaus nicht alle glücklich, dass „der alte Herr“ noch in Amt und Würden ist. Denn Schraml ist nicht nur einer, der es nie leicht hatte – er macht es auch anderen nicht leicht. „Immer wieder tapst der Bischof in Fettnäpfchen“, kritisiert etwa Wolfram Hatz. „Er kann’s ned.“ Mit anderen Laien hat der Maschinenbau-Unternehmer mittlerweile eine Gruppe „Besorgter Christen“ gegründet, die das Wirken Schramls äußerst kritisch verfolgt.
Da war vor zwei Jahren etwa die Versetzung des Unterdietfurter Pfarrers in den Bayerischen Wald. Die Gemeinde wollte ihn behalten, der Pfarrer wäre auch gern geblieben, nicht zuletzt um seine kranken Mutter zu pflegen. Doch Schraml, der eigentlich ganz gut auf Menschen zugehen kann, verfügte knallhart: Der Mann wird versetzt. Oder jüngst: Der Bischof entpflichtete den geistlichen Beirat des Frauenbundes, Otto Mochti, von seinem Amt – ohne die Frauen zu informieren. Die begannen bereits Pro-Mochti-Unterschriften zu sammeln, bis Schraml endlich via Generalvikar das Gespräch suchen ließ. Oder die Sache mit dem Ruhesitz: Schraml wird wohl nach seinem Rückzug vom Bischofsamt später einmal eine Etage der Bischöflichen Administration in Altötting beziehen. Eine halbe Million kostet die Renovierung, allein das Wohnzimmer hat fast 100 Quadratmeter – und das in Zeiten, wo das Renovierungsbudget für die Pfarreien deutlich zusammengestrichen wurde, wie Pfarrer ärgerlich anmerken. Das Haus hätte hergerichtet werden müssen, so oder so, sagte Schraml jüngst in einer Diskussionsrunde dazu. Ja, es sei geradezu ein Dienst, „wenn ich neizieh“. Und das mit der Größe, das relativiert sich auch, schließlich will die Entourage mitversorgt sein: „A Haushälterin, soviel Ehre und Würde hab ich auch vor einer Haushälterin, vor einer Frau, dass sie ein anständiges Appartement hat“, ließ sich Schraml vernehmen.
Solche Kommunikation macht manchen Probleme, aber auch Schramls theologische Ausrichtung. Sein Vorgänger hatte einen umfangreichen, gemeindeorientierten Pastoralplan aufgelegt, in Zusammenarbeit mit den Laien. Schraml dagegen stellt die Eucharistie in den Vordergrund – und damit das Priestertum und die Kirchenhierarchie. Es ist die konservative Sicht, in der etwa in den Hirtenbriefen kein Platz mehr ist für Menschen, die in ihrer Ehe gescheitert sind. „Es herrschte in Passau eine offene Atmosphäre, die hat Schraml mit diktatorischen Entscheidungen zerstört“, sagt Sigrid Grabmeier, Bundesvorstand der Laienvereinigung „Wir sind Kirche“. Das Unbehagen gibt es auch in der Institution selbst. Regelmäßig treffen sich zwei Dutzend Pfarrer und überlegen, wie sie mit oder trotz Schraml mehr Dialog in das Bistum bringen können. Wobei sie anders als der Bischof unter Dialog nicht nur das Gebet zu Gott verstehen, sondern den Austausch mit der Gemeinde.
Und natürlich gibt es Leute wie den Maschinenbauer Hatz, die einfach hoffen, dass die Amtszeit bald ein Ende findet, jetzt wo Schraml es bis zu dem Vierer-Jubiläum geschafft hat, was ihm wohl wichtig war. „Es wäre doch ein guter Moment an einen Jüngeren zu übergeben“, sagt Hatz. Aber danach sieht es nicht aus. Der Vatikan wird angesichts der Diskussion um die Neubesetzung des Berliner Bistumssitzes wohl nicht gleich eine weitere Flanke aufmachen.
Zuletzt geändert am 09.07.2011