| |
Veröffentlicht am 29­.07.2011

29.7.2011 - Publik-Forum

Mannheimer Aufbruch?

Start des katholischen Zukunftsgesprächs: Mehr Öffnung und echte Transparenz sind nötig – sonst scheitert der Dialog

Mit einer knapp einminütigen Ovation der 300 Delegierten für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, endete die erste Phase des »Zukunftsgesprächs der katholischen Kirche in Deutschland« Anfang Juli in Mannheim. Ein Aufbruch?

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode findet, »der Grundwasserspiegel des Vertrauens« habe »sich gehoben«. In Mannheim sei »so viel passiert, dass man es nicht einfach wieder in die Tube drücken kann«. Doch neben solcher Euphorie steht auch Ausgrenzung. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx erregte bei geschiedenen Wiederverheirateten sowie bei Lesben und Schwulen Empörung, weil er sie als »Scheiternde« und »Gescheiterte« bezeichnete. Die überregionale und regionale Tagespresse kommentierte den knapp zweitägigen Zukunftsdialog mit verhaltenem Optimismus.

Anregend verlief das Treffen, weil Zollitsch und seine »Steuerungsgruppe« – die Bischöfe Bode, Marx und Overbeck (Essen) – die Angst vor den Vertretern des Kirchenvolkes überwanden und die Tagungsleitung in fremde Hände gaben. Moderiert wurde von zwei nichtkirchlichen Expertinnen, Jutta Herzog aus Heidelberg und Myriam Mathys aus Zürich, beteiligungsorientiert, ohne Ansehen von Person und Rang. Es gab keine zeitfressenden Referate und rhetorischen Machtrituale, sondern Stuhlkreise mit gleichem Rederecht und Zuhörpflicht für alle. Zur Sprache kamen packende Grundfragen: Worauf bin ich stolz in der katholischen Kirche? Und wo sehe ich Schwächen? Es wurde lebendig diskutiert.

Über ein Drittel der deutschen Bischöfe kam nach Mannheim. Sie zeigten sich dort als unvoreingenommene Gesprächspartner, auf Augenhöhe mit den sogenannten Laien. Spätnachts sagte der in der Bischofskonferenz als offen geltende Bischof Bode in kleinerer Runde, »die schwierigste Aufgabe« für die anwesenden Bischöfe werde darin bestehen, »die Erfahrungen und den Geist von Mannheim« der abwesenden Mehrheit der Bischöfe zu vermitteln. Setzen diese doch auf traditionelle, autoritäre Muster bei dem Versuch, einen Weg in die Zukunft für die seit den sexuellen Missbrauchsskandalen schwer angeschlagene katholische Kirche zu finden.

Jeweils knapp eine Stunde diskutierten die Delegierten in 35 Stuhlkreisen über eine kirchliche Zukunftsfrage. Bevor die Dialogteilnehmer in einen anderen Achterkreis wechselten, hielten sie ihre Einsichten und Forderungen auf dem Flipchart fest. Überdeutlich wurde, welch massive Wende gut vier Fünftel der Delegierten in ihrer Kirche wollen. Die Berichterstatterinnen und -erstatter aus den Diskussionskreisen erklärten einer nach der anderen: »Wir wollen einen anderen Umgang mit den wiederverheirateten Geschiedenen, wir wollen eine gerechte Teilhabe der Frauen auf allen Ebenen der Kirche, wir wollen ein gerechtes Miteinander von Priestern und Laien in Leitungsfragen.«

Kurz: Knapp 30 von 35 Sprechern insistierten auf einer »Pastoral der Barmherzigkeit«. Denn diese fehle – und sei doch das Entscheidende, wenn die kriselnde Kirche neue Glaubwürdigkeit erwerben wolle. Diese Pastoral der Barmherzigkeit jedoch muss selbstkritisch sowie institutionskritisch durchdacht werden. Sonst droht Hochmut gegenüber, wie etliche Delegierte sagten, »scheiternden und gescheiterten« Zeitgenossen. Solcherart offen formulierte oder stillschweigende Herablassung zerstört die kirchliche Glaubwürdigkeit, die der Zukunftsdialog gewinnen will.

Sind die Forderungen, die in Mannheim aufs Tapet kamen, neu? Nein. Die katholische Kirche bewegt sich seit Jahrzehnten im geschäftigen Stillstand, ja zuweilen im von Rom befohlenen Rückschritt. Inhaltlich steht praktisch alles Geforderte längst in alten und neuen Dokumenten zu lesen. Etwa im Text des Zentralkomitees der deutschen Katholiken »Dialog statt Dialogverweigerung« von 1994 oder neuerdings in den Eckpunkten »Freiheit der Kinder Gottes« des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend vom Mai 2011 oder im Impulspapier »Frauen geben der Kirche Zukunft« der Bundesversammlung der Katholischen Frauengemeinschaft vom Juni 2011.

Bei der abschließenden Pressekonferenz kamen, anders als ursprünglich geplant, auch Laien – zwei Frauen sogar – zu Wort. Insgesamt überwog bei den Kirchenherren der Ton der Selbstgefälligkeit. Vom Anlass des Dialogprozesses, den vielen Pädophilie-Skandalen, sprach nur einer, der Osnabrücker Bischof Bode; während sein Amtsbruder Overbeck die Reformpunkte des Memorandums Kirche 2011 und die Reformvorschläge der Bewegung Wir sind Kirche kurzerhand und in scharfem Ton als » Themen von gestern« vom Tisch wischte.

Dreihundert von den Bischöfen handverlesene Frauen und Männer tagten in Mannheim. Vor vierzig Jahren, bei der Synode der deutschen Bistümer in Würzburg, waren es ähnlich viele Delegierte. Ebenso wie in Mannheim vornehmlich Gremienkatholiken, Priester und viele Hauptamtliche. Doch viele der Würzburger Delegierten waren gewählt. Beim Zukunftsgespräch 2011 dagegen ist Frau oder Mann bloß vom jeweiligen Bischof delegiert.

Im Jahr 1971 waren die Synodalen von einem Optimismus bewegt, der heutzutage, nach 35-jähriger römischer Eiszeit, geradezu naiv anmutet. Die großen Hoffnungen auf Veränderung und neue, glaubwürdige Strukturen, auf ein Ende des Zwangszölibats, auf verheiratete Pfarrer, das Recht auf Eucharistie für alle Christen erscheinen wie längst verblasste Traumbilder. – Und heute? Die Öffnung des Priesteramtes für Frauen werden die bischöflichen Delegierten in dem bis 2015 konzipierten Zukunftsdialog kaum fordern. »Unrealistisch«, »mit Rom nicht zu machen«, »kontraproduktiv« – so war von ihnen in Mannheim zu hören.

Die meisten Teilnehmer waren am Ende zufrieden, wegen der offenen Dialogkultur. Doch viele Fragen sind nicht beantwortet. Bleibt es bei diesen 300 Delegierten? Oder delegieren die Bischöfe zum nächsten Schritt im Zukunftsdialog 2012 »Diakonia – Unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft« neue Personen? Wird der Kreis der 300 erweitert, damit auch Vertreter von Reformgruppen zu Wort kommen? Und wie verläuft der Zukunftsdialog in den 27 sehr unterschiedlichen deutschen Bistümern?

Die Bischöfe sind Herr des Verfahrens. Sie halten sich ihre Optionen offen. Dies zeigt, wie ungleich der Zukunftsdialog angelegt ist. Damit der Aufbruch nicht versandet, müssen klare Strukturen her: Wer dokumentiert alle Voten von Mannheim? Wer bringt diese 2012 in die nächste Etappe ein? Wer sorgt dafür, dass dann nicht nur Gremienchristen tagen, sondern die volle Breite der Katholiken? Mehr Öffnung und mehr Transparenz sind nötig. Sonst scheitert dieser Zukunftsdialog.

http://www.publik-forum.de/archiv/mannheimer-aufbruch

Zuletzt geändert am 30­.07.2011