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Veröffentlicht am 19­.09.2011

18.9..2011 WELT ONLINE

"Gibt es Gott überhaupt?"

Im "Wort zum Sonntag" wendet sich Papst Benedikt XVI. an Zweifelnde
Zur Kritik an seiner Rede im Bundestag äußert sich das Oberhaupt nicht

Papst Benedikt XVI. hat sich kurz vor seinem Deutschlandbesuch per Fernsehansprache auch an Menschen gewandt, die an Gott zweifeln oder nicht an ihn glauben. Im "Wort zum Sonntag" rief Benedikt dazu auf, "die Wahrnehmungsfähigkeit für Gott, die in uns da ist", wieder neu zu entwickeln. Zur Debatte über seinen Auftritt im Bundestag äußerte sich das Oberhaupt der katholischen Kirche nicht. In der am Samstagabend ausgestrahlten ARD-Sendung sagte Benedikt: "Sie werden mich vielleicht fragen: "Gibt es Gott überhaupt? (...)". Der Pontifex ergänzte, es sei wahr, dass man Gott nicht anfassen oder in die Hand nehmen könne. Aber "in der Größe des Kosmos" und "in der Schönheit der Schöpfung" könne man etwas ahnen und sehen von der "Schönheit, Größe und (...) Güte Gottes".

Sein Besuchsprogramm in Deutschland sei "nicht religiöser Tourismus, und noch weniger eine Show. (...) Es soll darum gehen, dass Gott wieder in unser Blickfeld tritt, der so oft ganz abwesende Gott, dessen wir doch so sehr bedürfen", sagte Benedikt. Mit 2,36 Millionen Zuschauern erreichte die Sendung einen Marktanteil von 12,2 Prozent. Als Johannes Paul II. 1987 das "Wort zum Sonntag" sprach, sahen 7,55 Millionen Menschen zu (21 Prozent Markanteil).

Der Papst erwähnte in seiner Sendung zwar den geplanten Auftritt im Bundestag, nicht aber die Kritik daran: "Ich freue mich besonders auf Berlin, wo es viele Begegnungen geben wird, und freue mich besonders natürlich auf die Rede im Bundestag (...)". Die Diskussion über diese Rede ging unterdessen weiter. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) schrieb in einem Gastkommentar für die "Bild am Sonntag": "In einer Demokratie kann jeder Kritik an einer Person äußern. Man muss ihm aber zuerst zuhören. Das ist ein Gebot des Anstands (...)."

Etwa 100 Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken wollen der Rede am 22. September fernbleiben, weil sie den Auftritt für unvereinbar halten mit der religiösen Neutralität des Staates. Die Befürworter entgegnen, der Papst sei als Staatsoberhaupt im Rahmen seines Staatsbesuchs eingeladen worden. 51 Prozent der Deutschen finden es nach einer Emnid-Umfrage für das Magazin "Focus" richtig, dass der Papst im Parlament spricht. 39 Prozent halten es für falsch.

Die katholische Reformgruppe "Wir sind Kirche" vermisst beim Papstbesuch die Chance, Benedikt XVI. auch mit kritischen Themen zu konfrontieren. "Dialog kommt gar nicht vor", sagte Christian Weisner vom Bundesteam der kirchenkritischen Organisation. Er kritisierte zudem, dass nach der Rede des Papstes vor dem Bundestag die Abgeordneten keine Fragen stellen dürfen. Die Reise des Papstes werde höchstens schöne Bilder liefern. Und trotz des dritten Papstbesuchs seit der Wahl Joseph Ratzingers werde es die Kirche nicht mehr schaffen, Menschen an sich zu binden, fürchtet Weisner.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erhofft sich vom Papst vor allem, dass er katholische und evangelische Christen einander näherbringt. Die Ökumene stehe im Mittelpunkt der Visite, sagte sie in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. Benedikt wird sich in Thüringen mit Vertretern der Evangelischen Kirche treffen. Man werde miteinander beten und sprechen, sagte der Papst, aber: "Wir erwarten keine Sensationen."

Zuletzt geändert am 19­.09.2011