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Veröffentlicht am 25­.09.2011

24.9.2011 Publik-Forum

Frühlings Erwachen im Südwesten?

Thomas Seiterich
Ein Ereignis wie der Besuch Benedikts XVI. in Deutschland lässt nicht nur konservative Christen und Traditionalisten jubeln. Nein, er fördert auch zukunftsweisende Ideen zu Tage

In Freiburg haben sie ihren großen Auftritt, die Reformer in der römisch-katholischen Kirche. Wenn der Papst an seiner letzten Station auf seinem offiziellen Deutschlandtrip ankommt, sind sie nämlich schon da: Die Leute von »Wir-sind-Kirche« und mit ihnen kooperierende Reformbewegungen.


Pressekonferenz, Podiumsdiskussion, Gottesdienst »für Suchende und Ausgegrenzte«: Die Reformer sind in Freiburg so professionell organisiert wie immer. Und natürlich wissen sie, wie man mit den Medien umgeht. Sie versammeln Promis aus der Szene wie die Theologen Hermann Häring und Gotthold Hasenhüttl. Die Reformforderungen, die sie seit Jahren vortragen, werden auch diesmal ein Thema sein. Und der Papst wird sie so wenig mit ihnen diskutieren wie eh und je.

Obwohl es nicht voran zu gehen scheint auf den oberen Ebenen, hat sich in den letzten Jahren aber an der Basis viel entwickelt. Den Haupterfolg haben die Reformer gerade da. Bis in die bürgerliche Mitte der Kirchengemeinden ist vorgedrungen, dass die Reformanliegen eine Selbstverständlichkeit für aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts sind. Und gerade an der Basis und in regionalen Initiativen scheint sich etwas zu bewegen. Mancher Ortsbischof ist eben leichter erreichbar für gute Ideen als der Papst.


Neue Reformgruppen schießen aus dem Boden
Fünf neu gegründete kirchliche Reformgruppen präsentierten sich jüngst mit einem kritischen Themenkatalog der Öffentlichkeit. Sie taten dies sehr selbstbewusst im Haus der Kirche, der Guten Stube des Bistums Rottenburg-Stuttgart in der Königstraße der baden-württembergischen Landeshauptstadt.

Der im März 2011 begonnene Dialogprozess in der Kirche sowie die seit Januar 2010 ans Licht gekommenen sexuellen Gewalt- und Missbrauchsskandale durch Priester führen die Gruppen jetzt zu einer Aktionsgemeinschaft zusammen. Es sind: das »forum thomas« der Pfarreien im Raum Göppingen, die von Theologen geprägte »Initiative pro concilio« in Esslingen, die »Kirche in Bewegung« in Asperg und dem Raum Ludwigsburg, die »Kirche im Dialog« in Böblingen und die Initiative »Zukunft der Kirche« in Reutlingen. Sie bestehen allesamt aus hoch engagierten Gemeindechristinnen und -christen.

Etliche der Reformgruppen haben Umfragen in den Ortsgemeinden durchgeführt und umwerfend hohe Ergebnisse zugunsten der überfälligen Reformen erzielt: Zustimmung kam für die Zulassung der wieder verheirateten Geschiedenen zur Eucharistie, für den Stop des Zwangszölibats für Priester und für den Zugang der Frauen zu allen kirchlichen Ämtern.

Daraufhin suchten die Reformer das Gespräch mit Bischof Gebhard Fürst. Der kam sogar in Gemeinden, um sich den kritischen Positionen des engagierten Kirchenvolks zu stellen, und zwar nicht in der Sakristei, sondern im Pfarrsaal vor großer Zuhörerschaft.

Von Papst Benedikt XVI. wollen diese Reformgruppen ein starkes Zeichen geschwisterlicher Ökumene mit der evangelischen Christen, ein überzeugende Bitte um Vergebung bei den Missbrauchsopfern sowie Freiraum für die Gemeinden – »wider die zerstörerische Zusammenlegung lebendiger Gemeinden zu XXL-Pfarreien«.

Ob Benedikt XVI. diese Positionen hören wird? Die fünf neuen Reform-Initiativen befinden sich erst am Anfang ihres gemeinsamen Weges. Aber sie verstärken auf ihre eigenen Weise den Reform- und Dialogprozess in der deutschen Kirche. Wie römisch muss Benedikt sein, wenn er diese Aufbrüche nicht sieht? In Freiburg ist dies die Nagelprobe für den Papst.

Zuletzt geändert am 25­.09.2011