| |
Veröffentlicht am 25­.09.2011

25.9.2011 Badische Zeitung

Kirchenreformer fordern eine Öffnung der Kirche

Während in der Altstadt Tausende dem Papst zujubeln, teilen im Stadtteil Rieselfeld Kirchenreformgruppen ihre Enttäuschung darüber, dass er keine Signale für eine Öffnung der Kirche sende.



Hermann Häring, Moderator Markus Gutfleisch vo der Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, Martha Heizer, Gotthold Hasenhüttl (von links). Foto: Thomas Kunz

Während sich der Papst vom Freiburger Münster ins Collegium Borromaeum aufmacht, sitzt Magnus Lux im "Glashaus" im Stadtteil Rieselfeld: "Ich habe zwei Möglichkeiten. Ich könnte sagen, es lohnt sich nicht, und die Kirche verlassen". Magnus Lux ist Diplomtheologe und pensionierter Oberstudienrat für Deutsch und katholische Religion, er lebt in Schonungen im Bistum Würzburg. Lux hat sich für die andere Möglichkeit entschieden: "Den Gefallen auszutreten tue ich ihnen nicht."

Lux ist Mitglied im Bundesteam der Reformbewegung "Wir sind Kirche", die zum Besuch von Benedikt XVI. in Freiburg eine Podiumsdiskussion veranstaltet hat. Sie heißt "Papst-Macht-Zukunft?", rund 100 Menschen sind gekommen. Auf dem Podium sitzt Gotthold Hasenhüttl aus Saarbrücken, er ist eine Art Star der Kirchenreformbewegung.

Der ehemalige Theologieprofessor hatte 2003 auf dem ökumenischen Kirchentag in Berlin auch evangelische Christen zur Kommunion eingeladen. Weil er die Einladung nicht widerrief, wurden ihm das Priesteramt und später auch die Lehrerlaubnis entzogen. Einen der schönsten Gottesdienste seines Lebens nennt Hasenhüttl die Feier auch heute noch.

Langen Applaus erntet der 77-Jährige dafür.

"Ich liebe meine Kirche"
Die Menschen, die sich im Rieselfeld versammelt haben, sind froh, an diesem Papstnachmittag mit ihrer Kritik nicht alleine zu sein, das wird auch in der anschließenden Diskussion deutlich. Viele haben Probleme mit der Haltung des Papstes, mit der Struktur der Kirche – und doch wollen sie nicht einfach gehen. "Ich liebe meine Kirche", sagt Martha Heizer, ehemalige Lehrbeauftragte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Insbruck, die auch auf dem Podium sitzt.

Gemeinsam mit Kollegen hat sie eine "Kirchenverfassung" erarbeitet: Gewaltenteilung, Repräsentation von Frauen und Laien, Mitbestimmung durch die Wahl von Amtsinhabern und befristete Amtszeiten sind einige der Stichworte, die sie den Zuhörern im Rieselfeld vorstellt.

"Das entspricht genau der Botschaft Jesu", sagt Hasenhüttl, "aber die Wirklichkeit ist eben eine völlig andere". Der Professor scheut auch harsche Kritik nicht: Die Struktur des Vatikans entspreche einer "Diktatur" – sie genüge keinesfalls demokratischen Maßstäben, auch habe der Vatikan die Erklärung der Menschenrechte nicht unterzeichnet. Die Kirche sehe ihre Struktur als gottgegeben – aber im zweiten Vatikanischen Konzil werde die kirchliche Hierarchie eindeutig als ein menschliches Element bezeichnet, nicht als göttliches. Deshalb sei sie auch veränderbar.

Hasenhüttl hat als Wissenschaftler mit Joseph Ratzinger in Tübingen zusammengearbeitet. Er habe ihn auch oft im Auto mitgenommen, weil Ratzinger keinen Führerschein hatte, erzählt er. Persönlich sei der spätere Papst immer sehr liebenswürdig gewesen. "Aber seine Haltung war damals schon genau so reaktionär wie heute."

Ähnlich sieht das der ehemalige Theologieprofessor Hermann Häring, der in Tübingen ebenfalls mit Joseph Ratzinger zusammen gearbeitet hat: Dessen starre Haltung habe sich durch die gesellschaftlichen Veränderungen noch verhärtet. Das beziehe sich auch auf sein Amt: "Der Papst fährt ja nicht aus Eitelkeit mit seinem Prunkwagen durch die Stadt, sondern weil er wirklich meint, er tut Gott etwas Gutes, wenn die Menschen ihm zujubeln."

"Bruder Joseph, du musst müde sein"
Im Publikum sitzen viele Teilnehmer des "Armutscamps", das die Caritas für obdachlose Menschen während des Papstbesuchs organisiert hat. "Der Mensch hat seine Not", sagt ein Sozialarbeiter, darum müsse Kirche sich kümmern sonst schaffe sie sich ab. Eine Frau aus dem Publikum ergänzt: "Eigentlich geht es um Spiritualität und um Diakonie." Auch Martha Heizer sagt, die Kirchenreformbewegung dürfe sich nicht nur auf den Papst fixieren: "Gerade Jugendliche suchen nicht Kirchenpolitik, sondern Spiritualität."

Als der Moderator sie zum Abschluss fragt, was sie dem Papst sagen würde, wenn er an diesem Abend an ihre Tür klopfte, antwortet sie: "Bruder Joseph, Du musst müde sein, komm her und ruh Dich aus."

Autor: Thomas Goebel

Zuletzt geändert am 26­.09.2011