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Veröffentlicht am 26­.09.2011

26.9.2011 Tagespost

Anmaßung und Unkenntnis

Hinsichtlich tendenziöser und voreingenommener Berichterstattung über den Papstbesuch war das ZDF Spitze. – Dabei war die Konkurrenz stark.

Von Alexander Kissler
Auch diesmal war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wer würde wohl den Sieg davontragen im Kampf um die romkritischste Berichterstattung? Wie in den vergangenen Jahren bewarben sich viele Radiosender und Fernsehstationen um den Lorbeer. Im Printbereich hatte frühzeitig der „Spiegel“ den Kampf zu seinen Gunsten entschieden mit einer informationsarmen, vorurteilsreichen Titelgeschichte. Diese hörte auf den Namen „Der Unbelehrbare“, meinte damit aber interessanterweise nicht Hans Küng. Der Surseer Theologe war nur mit einem Gespräch über die Schattenseiten Benedikts XVI. vertreten und sah dabei erwartungsgemäß kein Licht. Der „Stern“ konterte mit „Oh Gott. Warum so viele Menschen gläubig sind, sich aber von den Kirchen abwenden.“ Schuld daran sei, so sagte es das Titelbild, die einzige Titelfigur, der Papst aus Deutschland.

Wenden wir uns also dem traditionellen Wettstreit von Deutschlandfunk/Deutschlandradio und ZDF zu. Die beiden Platzhirsche unter den zwangsgebührenfinanzierten Seriositätsverwaltern zogen alle Register. Da galt es sich frühzeitig zu positionieren, um bereits im berüchtigten Vorfeld für den erwünschten Missmut zu sorgen. Wer weiß schließlich, wann wieder einmal ein Pontifex nach Deutschland kommen würde, der einen derart idealen Gegner abgibt. Bei Joseph Ratzinger muss nicht mehr im Einzelnen dargelegt werden, worin seine Positionen bestehen und warum diese abzulehnen oder vielleicht gar zu begrüßen seien. Da genügt der vermeintlich schlaue, in Wahrheit tumbe Hinweis, die bloße Evokation, er sei nun einmal unmodern, konservativ, immer „dagegen“. Wohl dem, der jahrelang dieses bequeme Bild in allen Farben ausgemalt hat. Er kann nun eine leichte Ernte einfahren.

Drewermann und Deschner teilen aus
So machte es auch die „Frankfurter Rundschau“, die am 8. September sich in vielen, vielen Sätzen vom agnostischen Schriftsteller Umberto Eco darlegen ließ, warum „Joseph Ratzinger kein großer Theologe“ sei. Am 21. September durfte an derselben Stelle Kirchenhasser Deschner einmal mehr über den „Faschistenkomplizen Pius XII.“ sagen, was zu sagen ihn so drängt. Der Südwestrundfunk ließ derweil den tiefenpsychologischen Märchenexperten Drewermann in einem Offenen Brief allerlei Schändliches über das Papstamt im Allgemeinen und Benedikt im Besonderen repetieren.

Das Vorprogramm im Deutschlandfunk startete am 16. September mit der Diskussionsrunde „Quo vadis, ecclesia? Deutschlands Katholiken vor dem Papstbesuch.“ Dazu muss man wissen, dass Fragezeichen in Sendungen mit kirchlichen Themen immer signalisieren, dass die Macher die Sache für entschieden halten. Das Fragezeichen setzt einen Ausruf: So, wie es die Frage zu suggerieren scheint, darf es nicht weitergehen, Journalisten begehren auf. Im Ankündigungstext zur Diskussionsrunde gab man sich schon weniger Mühe, den Scheincharakter der Frage zu bemänteln: „Braucht die katholische Kirche mehr innere Demokratie, muss sie alte Zöpfe wie den Pflicht-Zölibat abschneiden und Frauen als Priesterinnen zulassen?“ Tatsächlich fand sich unter den Teilnehmern denn auch keine Stimme, die frohgemut alte Zöpfe bejaht hätte. Zu deren Wesen gehört es schließlich, sie abzuschneiden. Ganz in diesem erwünschten Sinne äußerten sich Wolfgang Thierse und eine Frau von „Wir sind Kirche“, von der allerweitesten Sympathie des einladenden Redakteurs Hartmut Kriege mild durch die Sendung getragen.

Kriege, Leiter der Kirchenredaktion, war es dann auch, der zwei Tage später die Hörer aufklärte, es gäbe nur „geringe Erwartungen an den Besuch von Benedikt XVI.“ Kriege zufolge werde Benedikt keine „neuen, menschenfreundlichen Akzente setzen“ in der „Mischehen-Frage“, auch werde er den „Alleinvertretungsanspruch auf die Vermittlung christlicher Gnadengesetze aufrechterhalten“, leider. Die katholische Kirche müsse sich endlich als „Glaubensfreundin gegenüber anderen christlichen Gemeinschaften“ ansehen. Kriege ist Co-Autor zweier Bücher über „Religion und Aufklärung im Widerstreit“ und über „Die Päpste und die Macht“. Vermutlich hat es ihn erfreut, dass wiederum einen Tag später, am 19. September, in seinem Deutschlandfunk missmutig in Joseph Ratzingers „Einführung in das Christentum“ geblättert wurde. Autor der ganz unvergnügten Kritik war Matthias Gierth, der ehemalige stellvertretende Chefredakteur des „Rheinischen Merkur“. Wir werden von ihm noch hören.

Überhaupt war der 19. September ein guter Tag für die Papstgegner in diesem an guten Tagen für die Papstgegner nicht armen Jahr 2011. Ihnen wurden alle Schleusen geöffnet in Deutschlandfunk/Deutschlandradio. Gierth voraus ging Alan Posener, der Chef-Atheist der Tageszeitung „Die Welt“. Er erläuterte kurz nach 14 Uhr, warum der „katholische Fundamentalist“ Benedikt XVI. „unsere Staats- und Gesellschaftsordnung, so wie sie jetzt ist, in Frage stellt“. Bereits morgens um halb Acht hatte ein evangelischer Theologe in deutsche Badezimmer und Frühstücksstuben hinein dafür plädiert, das Papsttum endlich ganz anzuschaffen.

Wiederum zwei Tage später, im Vorbericht, analysierte der Religionssoziologe Michael Ebertz die „tief sitzende Resignation“ der Katholiken. Ein katholischer Pfarrer aus Beuren im Eichsfeld gab im selben Feature zum Besten, er habe einen wunderschönen Traum: „Die Marienvesper in Etzelsbach geht zu Ende. Die Leute rüsten sich schon so ein bisschen zum Aufbruch und dann sagt der Papst auf einmal: Wartet mal noch einen Moment, ich hab' noch was zu sagen! Und dann sagt er, ich hab' mir überlegt, wir sollten in der Kirche doch auch Frauen als Priesterinnen zulassen.“ Am 22. September dann, dem Tag der Anreise Benedikts, warb ZdK-Katholik Wolfgang Thierse im Deutschlandfunk für einen weniger „erbarmungslosen“ Umgang „mit Homosexuellen, mit Wiederverheirateten, Geschiedenen, mit Frauen. Da hat die Kirche wirklich viel Änderungsbedarf.“ Gleichen Tags plädierte Bernhard Vogel für die Viri-Probati-Initiative einiger CDU-Politiker, „eines Tages werden wir erreichen, was wir (?) wollen.“ Hans Christian Ströbele wiederum erklärte seine Ablehnung der Bundestagsrede des Papstes damit, dass Benedikt „nach wie vor für die Teufelsaustreibung ist, eine fürchterliche Zeremonie“. Und Küng-Schüler und Ratzinger-Gegner Hermann Häring bekräftigte die „steinharte“ Theologie Benedikts, das „hohe Maß an Rigidität“. In Benedikts Kirche gebe es keine Freiheit. Wir schrieben noch immer den 22. September, waren noch immer bei Deutschlandfunk/Deutschlandradio.

Peter Frey zeigt dem Papst, wo der Hammer hängt
Am 23. September ging das Trommelfeuer weiter. Arndt Brummer, der ex-katholische Chefredakteur der evangelischen Monatsschrift „Chrismon“, breitete einmal mehr seine Anklageschrift aus. Ratzinger habe ein „sehr, sehr überholtes Kirchenbild“. Friedrich Schorlemmer, ökumenisch gesinnt wie selten, wetterte noch vor dem ökumenischen Gottesdienst zu Erfurt gegen die „römische Arroganz“ einer „etwas triumphalistisch auftretenden Kirche“. Danach urteilte Matthias Gierth, Benedikt habe die großen Erwartungen der Gläubigen „herb enttäuscht“. Sogar die reihum positiv bewertete Bundestagsrede fiel bei Gierth glatt durch. Benedikts Betonung der katholischen Naturrechtslehre sei „eine Zumutung für Protestanten“ gewesen. Gierths ehemaliger Chef beim „Rheinischen Merkur“, Matthias Rutz, kommentierte derweil im Deutschlandradio, „die kirchlichen Ausschreibungsbedingungen für diesen Beruf“, den Priester, „stimmen nicht mehr, etwa der Zölibat. Auch die Position von Frauen in der männerdominierten Kirche ist verbesserungsbedürftig.“ Benedikt gelinge keine „Anpassung an die Lebenswirklichkeit.“ Muss man so reden, wenn man jahrelang ein nicht karges Gehalt aus bischöflicher Quelle bezogen hat? Und, wichtiger noch: War damit der Sieg über das ZDF gesichert?

Vermutlich müssten wir das konstatieren, hätte das ZDF nicht Peter Frey. Das ZDK-Mitglied schien es sich zur Herzensangelegenheit gemacht zu haben, im Alleingang dem Papst zu zeigen, wo der politisch-korrekte Hammer hängt. Der Chefredakteur des ZDF sagte grundsätzlich Abendmahl, wenn von der Eucharistie die Rede war. Er verknappte das Motto der Reise zu „Gott ist Zukunft“, machte aus dem EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider Norbert Schneider und erklärte den evangelischen zum ökumenischen Kirchentag. Dafür aber wusste er genau: „Bewegungen sind schwer in der katholischen Kirche“, die „große Krise des Katholizismus in Deutschland“ liege daran, dass man sich der „gesellschaftlichen Realität“ verweigere. Das waren Freys Mantraworte: „Gesellschaftliche Realität“ und „180 000 Austritte im vergangenen Jahr“. Wollte sich kein Gedanke einstellen, war eines der beiden Mantraworte zur Stelle. Falls nicht, sprang Heiner Geißler aus der Kulisse und geiferte in Echtzeit, bat den Papst zur Kommandostelle: Benedikt „muss klar und deutlich, nicht akademisch sagen, dass er an der Seite des Prekariats steht“, Benedikt „muss endlich was sagen zur Aidsproblematik“, Benedikt „muss was sagen zu den Geschiedenen“, Benedikt handle „gegen das Evangelium“: Ein trauriger Fall von Selbstverdunklung.

Damit aber hätte sich das ZDF trotz Peter Freys selbstverleugnendem Einsatz bestenfalls ein Unentschieden gesichert. Gar zu vielfältig hatten Deutschlandfunk/Deutschlandradio die Bataillone gerichtet. Dann aber, als der Papst wieder in Rom war, holte Peter Frey zum Finale aus. Im abschließenden Kommentar im „heute-journal“ wurde das Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken zum Kulturkämpfer. Triumphal stellt er fest, „die Herde schrumpft, der Glaube ist auf dem Rückzug“, brachte den angeblichen Auftrag des Zweiten Vatikanums zur „Verheutigung der Kirche“ gegen Benedikt in Stellung, forderte Bischöfe und Laien auf, ab sofort nicht mehr „ängstlich nach Rom zu schauen“ und folgerte selbstgewiss, von der Macht der eigenen Bedeutung beschwert: „Von diesem Papst sind die notwendigen Reformen nicht mehr zu erwarten“. Spiel, Satz und Sieg für das ZDF.

Es bleibt das alte Lied: Wo Anmaßung und Unkenntnis sich vermählen, da erhebt die Kirchenberichterstattung ihr Haupt. Nicht immer, aber immer öfter. Mit dem Zweiten wird man dümmer.

Zuletzt geändert am 26­.09.2011