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Veröffentlicht am 25­.09.2011

25.9.2011 Weltexpress

Der Papst und die enttäuschten Erwartungen

Freiburg/Erfurt (Weltexpress) - Die deutschen Bischöfe können aufatmen. Der viertägige Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. hat organisatorisch bestens geklappt, der Papst hat sein Mammutprogramm trotz seiner 84 Jahre gut gemeistert und ist anders als vor fünf Jahren in Bayern in kein Fettnäpfchen getreten. Zurück lässt der Papst viele begeisterte und gestärkte Katholiken, aber auch zahlreiche enttäuschte Erwartungen.

Benedikt enttäuschte engagierte Katholiken, die sich Impulse für konkrete Reformen in der Kirche erhofft hatten. Mehr noch: Er geißelte explizit selbst entworfene „Kirchenträume", warf Reformbewegungen ein fehlerhaftes Kirchenverständnis vor und rief stattdessen zur Demut sowie zur Treue zu Bischöfen und Papst auf. Er enttäuschte alle Christen, die sich von ihm ein „ökumenisches Gastgeschenk", wie es der Papst selbst formuliert hatte, versprochen hatten.

Die Missbrauchsproblematik in der Kirche schnitt er zwar an und traf sich auch mit Betroffenen, die Opferverbände sparten aber dennoch nicht mit Kritik. Er ging nicht auf den Wunsch der Juden nach einem erneuten klaren Wort zum Streit über die Piusbruderschaft oder die Wiederzulassung der Karfreitagsfürbitte für die Erleuchtung der Juden ein. Und beim insgesamt sehr versöhnlichen Treffen mit den Muslimen spielten die Irritationen über die Regensburger Vorlesung keine Rolle.

Gemeinsam für eine bessere Welt
War es also eine Reise der verpassten Gelegenheiten, wie die Reformbewegung „Wir sind Kirche" beklagte? Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hatte schon am Freitag nach dem Erfurter Ökumene-Treffen betont: „Enttäuschung hat immer etwas zu tun mit einer falschen Erwartung."

Benedikt ist ein aufmerksamer Leser deutscher Zeitungen, empfängt in Rom immer wieder Delegationen aus der Heimat. Er kannte die vielfältigen Erwartungen, die ihm in Deutschland entgegenschlugen - und die er wohl auch dann nicht hätte alle erfüllen können, wenn er es darauf angelegt hätte. Aber das Kirchenoberhaupt setzte sich über die Erwartungen weitgehend hinweg, um eine aus seiner Sicht ganz grundlegende Botschaft zu verkünden: Er rief auf zur Besinnung auf Gott, auf das Fundament und den Kern des Glaubens. Das ist der rote Faden, der sich durch nahezu alle Ansprachen dieser vier Tage zog.

Der Papst wollte nicht nur die gebeutelten Katholiken in seiner Heimat aufrütteln, sondern alle Christen, ja auch Juden und Muslime. Angesichts einer Gesellschaft, in der Religion und Glaube immer mehr zu Randerscheinung werden, mahnte der Papst, sich auf religiöse Grundwerte zu besinnen und gemeinsam für den „Aufbau einer besseren Welt" zu kämpfen.

Ringen um Konsens
Hinter diesem großen Ziel müssen für den Papst Partikularinteressen zurückstehen. Der Weg zu diesem Ziel bringt nach Einschätzung Benedikts aber auch die Lösung vieler konkreter Probleme, wie er in Berlin, Erfurt und Freiburg deutlich machte: Der gemeinsame Einsatz von Katholiken mit Juden und Muslimen für grundlegende ethische Werte soll den interreligiösen Dialog beflügeln. Das Ringen mit der evangelischen Kirche um einen Konsens in sozialpolitischen Fragen soll die Ökumene stärken. Und die „Umkehr" der Katholiken, die Besinnung auf Gottesdienstbesuch, Gebet und Bibellektüre hilft der Kirche aus Sicht des Papstes eher aus der Krise, als langwierige Debatte über Zölibat oder Frauenpriestertum.

Das Motto des Deutschlandbesuchs - die These: „Wo Gott ist, da ist Zukunft" - war in der Tat der große gemeinsame Nenner der vergangenen Tage. Inwieweit den Gläubigen die Worte des Papstes bei den ganz konkreten Fragen und Problemen des Alltags eine Hilfe sein werden, wird sich zeigen. Dem einen oder andere wird seine Enttäuschung sicher noch einige Zeit zu schaffen machen.

Zuletzt geändert am 26­.09.2011