| |
Veröffentlicht am 29­.09.2011

29.9.2011 - Süddeutsche Zeitung

Ernüchterte Pilger

Nach dem Papstbesuch sind viele Münchner Katholiken enttäuscht

Müdigkeit. Das verspüren viele, die Anfang der Woche nach dem Papstbesuch wieder in die Erzdiözese München und Freising zurückgekehrt sind. Viele, die darauf gehofft hatten, dass Papst Benedikt XVI. einen Schritt auf die moderne Gesellschaft zumacht, sind nicht einmal mehr enttäuscht. Nur noch ernüchtert und ausgelaugt. Offiziell sagen will das aber keiner.

Die meisten reiben sich an der Aufforderung des Papstes, die Kirche zu entweltlichen. „Ich finde diesen Begriff Entweltlichung schwierig. Es ist ein sehr diskussionswürdiger und nicht unproblematischer Begriff. Ich wünsche mir, dass die Kirche nah am Menschen bleibt. Für meinen Geschmack ist sie schon jetzt zu weit weg von der Welt“, sagt beispielsweise Alois Obermaier vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in der Region München. „Wir können uns nicht in die Nische der Kirche zurückziehen und zum heiligen Rest werden. Das halte ich nicht für vernünftig“, kritisiert ein Pastoralreferent, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er habe in seiner Arbeit nur mit Menschen zu tun, die Teil dieser Gesellschaft seien und halte deswegen die Äußerung des Papstes für kontraproduktiv.

Auch der Vorsitzende des Münchner Diözesanrats der Katholiken, Hans Tremmel, hat seine Schwierigkeiten mit dem Ausdruck „Entweltlichung“. Die Kirche müsse mitten in der Welt stehen, um ihren Sendungsauftrag zu erfüllen, betonte Tremmel. Insgesamt sei er aber vom Besuch des Papstes positiv beeindruckt, zumal er gar nicht erwartet habe, dass der Papst Reformen anspreche, die von den Menschen in Deutschland gefordert würden.

Papst Benedikt XVI. hatte unter anderem bemängelt, dass es in der deutschen Kirche „einen Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist“ gebe. Markus John vom Sprecherrat der Pastoralreferenten kann das nicht verstehen: „Das Lob für die ökologische Bewegung im Bundestag hat uns gefreut. Die Idee allein, die dahinter steht, hätte die Bewegung sicherlich nicht so weit gebracht. Wir sind der Ansicht, dass sie nicht diese Kraft entfaltet hätte, wenn sie nicht auch von christlichen Initiativen und Verbänden massiv gefördert worden wäre.“ Ohne die Berufsgruppe der Pastoralreferenten, die zum großen Teil aus den Jugendverbänden des BDKJ kämen, wäre die Kirche in Deutschland „arm dran“, betonte John.

Christian Weisner von der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ findet die Aussage, die Kirche solle auf Macht und Privilegien verzichten, „seltsam“. Der Vatikan, die Priesterausbildung in Afrika und Südamerika oder die sozialen Hilfswerke würden vom deutschen Kirchensteuersystem mitfinanziert. „Bevor der Papst da weitere Äußerungen macht, sollte er das erst mal durchrechnen“, sagte Weisner.

Franziska Brüning

Zuletzt geändert am 29­.09.2011