| |
Veröffentlicht am 08­.09.2006

8. September 2006 - www.netzeitung.de

Lehmann will Papst bei Besuch «schonen»

Beim Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner bayerischen Heimat werden eine halbe Million Menschen erwartet. 35.000 Helfer sollen für Sicherheit sorgen. Politiker und Theologen forderten vom Papst indes Ankündigungen für Reformen.

Papst Benedikt XVI. beginnt an diesem Samstag in München seinen zweiten Deutschlandbesuch. Der 79 Jahre alte Joseph Ratzinger reist ein Jahr nach dem Weltjugendtag in Köln diesmal sechs Tage lang in seine bayerische Heimat zu Stationen seines früheren Wirkens. Mit militärischen Ehren begrüßen Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Papst nach dessen Ankunft um 15.30 Uhr auf dem Münchner Flughafen.
Höhepunkte der Reise werden zwei Gottesdienste unter freiem Himmel sein - an diesem Sonntag in München und am Dienstag bei Regensburg mit hunderttausenden Gläubigen. Allein an diesem Wochenende rechnet die Polizei in München mit mehr als 500.000 Pilgern und Schaulustigen. Vertreter der politischen Parteien sprachen von Freude über den Besuch und äußerten zugleich Reformwünsche.

Massive Sicherheitsvorkehrungen wurden für die Papst-Visite angeordnet. Mehr als 35.000 Helfer von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten haben sich seit Monaten auf den Besuch vorbereitet, den Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) für Bayern als «Jahrtausendereignis» bezeichnet hat.

Papst Benedikt XVI. hat in den vergangenen Tagen mehrfach erklärt, wie sehr er sich auf den Besuch in seiner Heimat freue. Zugleich äußerte er die Hoffnung, dass sein Besuch die Freude am Christentum neu wecken könne. Auch der Münchner Erzbischof und Kardinal Friedrich Wetter erwartet neue Glaubensimpulse. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla erklärte am Freitag in Berlin: «Wir wünschen uns nach dem Weltjugendtag durch den Besuch des Papstes ein weiteres starkes Zeichen dafür, dass Glaube und Wertbindung gerade auch für junge Menschen in unserem Land eine herausragende Bedeutung haben.»

«Gar keine großen Erwartungen»

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, nennt dagegen «gar keine großen Erwartungen» an den Papst-Besuch - nicht weil der Besuch keine Wirkungen haben werde, sondern «weil ich den Papst ein bisschen schonen möchte». Benedikt mache «zunächst einmal einen persönlichen Besuch in seiner Heimat, die er schon zwei, drei Jahre nicht gesehen hat. Da soll man ihn auch mal Mensch sein lassen», sagte Lehmann der Wochenzeitung «Das Parlament».

Der CSU-Europaabgeordnete Ingo Friedrich, der auch Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises in seiner Partei ist, mahnte Fortschritte in der Ökumene an. «Es wäre ein großes Zeichen der Annäherung» zwischen katholischer und evangelischer Kirche, «wenn die konfessionsübergreifende Teilnahme am gemeinsamen heiligen Abendmahl erleichtert würde», erklärte Friedrich. Für konfessionsverschiedene Ehepaare sei es eine schmerzliche Erfahrung, dass die katholische Kirche ihnen das gemeinsame Abendmahl verwehre. Der Tübinger Theologe Prof. Hans Küng sagte am Freitag: «Es würde mich freuen, wenn der Gast aus Rom seinen deutschen Landsleuten ein Gastgeschenk mitbrächte, welches der katholischen Kirche und besonders der Ökumene in Deutschland voranhilft.»

Die Reformbewegung «Wir sind Kirche» forderte unterdessen, dass der Papst seinen Worten, mit denen er sich als Brückenbauer erwiesen habe, nun auch Taten folgen lasse. Handlungsbedarf bestehe etwa bei der Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt sowie bei der Zulassung wiederverheirateter Geschiedender zur Eucharistie, sagte Norbert Scholl von «Wir sind Kirche» im Bayerischen Rundfunk. Grünen-Vorsitzende Claudia Roth mahnte eine Öffnung der katholischen Kirche für alternative Lebensformen an. Gerade bei der vom Vatikan strikt abgelehnten Gleichstellung homosexueller Lebensart «könnte der Papst wirklich einen Schritt nach vorne tun», sagte Roth dem Nachrichtensender N24.

Gebet im Herzen Münchens

Nach der Ankunft auf dem Münchner Flughafen fährt Benedikt in Innenstadt. Das letzte Stück der Fahrt nimmt er das Papamobil und wird den Menschen an den Straßen zuwinken. Am frühen Abend will der Papst an der Mariensäule am Marienplatz - mitten im Herzen von München - beten. Am Abend stehen persönliche Gespräche mit Köhler, Merkel und Stoiber in der Münchner Residenz auf dem Programm.

Die weiteren Stationen der Reise sind der oberbayerische Marienwallfahrtsort Altötting, Joseph Ratzingers Geburtsort Marktl am Inn, Regensburg und Freising. Am Donnerstag reist der Papst um 12.45 Uhr vom Münchner Flughafen nach Rom zurück.

Der Papst-Bruder Georg Ratzinger sieht dem Besuch von Benedikt in Bayern unterdessen gelassen entgegen. «Ich empfinde weder große Freude noch Nervosität», sagte der 82-Jährige am Freitag. «In meinem Alter ist man nicht mehr nervös.»(nz)

Zuletzt geändert am 09­.09.2006