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Veröffentlicht am 01­.01.2012

1.1.2012 - Rhein-Neckar Zeitung

Katholiken wollen in Mannheim Gräben überwinden

Von Ingo Senft-Werner

Mannheim. (dpa) Das Motto des Katholikentages klingt wie eine Selbstbeschwörung: "Einen neuen Aufbruch wagen." Vom 16. bis 20. Mai soll in Mannheim der Funke überspringen, nachdem der Papstbesuch im Herbst diese Hoffnung nicht erfüllt hat. Zwischen 25.000 und 30.000 Dauergäste erwartet Geschäftsführer Martin Stauch - hinzu sollen Tausende Tagesbesucher kommen. "Der Katholikentag ist immer ein Trendmesser für die Anziehungskraft der Kirche."

Gastgeber Robert Zollitsch will den Reformprozess vorantreiben. Der Freiburger Erzbischof setzt auf offene Gespräche auch zu den umstrittenen Themen Frauen im Priesteramt und Abendmahl für wiederverheiratete Geschiedene. Allerdings sind sich alle Beteiligten bewusst, dass sie an der harten Haltung des Vatikans in diesen Fragen kaum etwas ändern können.

"Wir wünschen uns lebendige Diskussionen und ein Treffen im Geiste einer dialogbereiten Kirche", gibt Zollitsch trotzig als Motto aus. So ist auf dem Kirchentag eine Bühne geplant, auf der jedermann offen über alles sprechen kann. Und es wird ein Dialog-Café eingerichtet. Allerdings soll es schon erste Querelen bei der Organisation einer Veranstaltung über die Zulassung von Frauen zum Diakonenamt gegeben haben.

Für Christian Weisner von der Basisbewegung "Wir sind Kirche" ist der Katholikentag mehr als ein Trendmesser: "Er ist die Nagelprobe, ob sich die deutschen Bischöfe auf eine Debatte einlassen." Nach dem enttäuschenden Papstbesuch schwankten viele Katholiken zwischen Depression und Aufbegehren. "Wir sehen vielerorts eine ,Spiritualität des Trotzdem'", sagt Weisner.

Manche Katholiken befürchten, der Kirchentag könnte die Gräben zwischen den unterschiedlichen Strömungen vertiefen. So meidet etwa die einflussreiche konservative Gruppe "Forum Deutscher Katholiken" um die Bischöfe Heinz Josef Algermissen, Joachim Meisner und Gerhard Ludwig Müller die Großveranstaltung. "Damit fehlt eine wichtige Stimme in der Auseinandersetzung", bedauert Weisner. Und Stauch erneuert seine Einladung in diese Richtung: "Wir verweigern niemandem das Wort."

Jenseits der innerkatholischen Fragen hofft der evangelische Bischof in Baden, Ulrich Fischer, auf Fortschritte in der Ökumene. Der Weg sei nach dem Papstbesuch steiniger geworden. "Wir hätten uns mehr Ermutigung gewünscht", sagt Fischer, der auf dem Katholikentag mehrfach auftreten wird. Er flüchtet sich in die diplomatische Sicht: "Der Papst hat aber auch nichts gesagt, was uns die Arbeit schwerer macht."

Hierin trifft er sich mit Zollitsch. "Wir wollen die Menschen einladen, gemeinsam den Weg nach vorne zu gehen, und dürfen nicht ständig nur darauf schauen, welche Probleme wir innerkirchlich zu lösen haben", sagt der Erzbischof. Er kämpft weiter für den Dialogprozess, bei dem ihm nicht alle seine Kollegen folgen wollen.

Martin Stauch setzt auf die Jugend: "In den vergangenen Jahren waren immer 40 Prozent der Besucher unter 30 Jahren. Das ist ein enorm guter Wert." Von ihnen erhofft er sich Anstöße, nicht nur bei den umstrittenen innerkirchlichen Problemfeldern. Weisner hofft, dass die Kirche in Mannheim aus ihrem Elfenbeinturm herauskommt. "Der Kirchentag muss vermitteln, nicht nur zwischen den kirchlichen Strömungen, sondern auch zwischen den Christen und der Welt." Er setzt auf eine ehrliche Debatte ohne Untertöne. "Was wir auf keinen Fall wollen, ist eine antirömische Bewegung."

Stichwort: Katholikentag

Der Katholikentag wird in der Regel alle zwei Jahre organisiert. Zuletzt wurde er 2010 gemeinsam mit den Protestanten als Ökumenischer Kirchentag in München gefeiert. Davor war er in Osnabrück, Saarbrücken und 2004 in Ulm zu Gast. Die Großveranstaltung, bei der zuletzt im Schnitt 30.000 Dauergäste angemeldet waren, geht auf das Jahr 1848 zurück, als sich in Mainz erstmals Vertreter katholischer Vereine trafen. Im Gegensatz zu ähnlichen Veranstaltungen in anderen Ländern wird der Katholikentag nicht von der Amtskirche getragen, sondern von sogenannten Laien im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).

Die Erzdiözese Freiburg richtete zuletzt 1978 den Kirchentag aus. Damals betete im Freiburger Münster Mutter Teresa an der Seite des Münchner Erzbischofs und Kardinals Joseph Ratzinger, des heutigen Papstes Benedikt XVI. Beim 98. Katholikentag vom 16. bis 20. Mai in Mannheim sind rund 1200 Veranstaltungen geplant. Mehr als 2000 Helfer sind im Einsatz. Als Gäste werden wieder etliche Politiker erwartet. Ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anreisen wird, ist noch unklar. Nach Angaben der Organisatoren will sie sich kurzfristig entscheiden.

http://www.rnz.de/HPHeadtitles_Metropolregion/00_20120101102617_Katholiken_wollen_in_Mannheim_Graeben_ueberwin.html

Zuletzt geändert am 02­.01.2012