28.2.2012 - Süddeutsche Zeitung
Geballte Bischofsschelte
Von Wolfgang Wittl
Regensburg – Die Bischöfe hatten sich noch nicht richtig in ihren Tagungsräumen eingerichtet, da erhielten sie bereits den ersten Willkommensgruß. Versöhnlich oder gar freundlich war es allerdings nicht, was sie von den reformfreudigen Laiengruppen am Montag zu hören bekamen: „Rückwärtsgewandt“ sei die katholische Kirche in ihrer derzeitigen Ausrichtung, lautete die Kritik zum Start der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz, darüber hinaus „monarchistisch, autokratisch und mehr und mehr diktatorisch“. Die Pläne des Augsburger Bischofs Konrad Zdarsa etwa, Pfarreien zu fusionieren und Pfarrgemeinderäte durch Pastoralräte zu ersetzen, werden auch außerhalb des Bistums mit Sorge betrachtet: „So wird kein Kranker getröstet, keine Familie mitgenommen“, sagte Fritz Wallner von der Laienverantwortung Regensburg.
Detailliert setzten sich die Kirchenkritiker mit dem Themenkatalog der 68 deutschen Bischöfe auseinander, die bis Donnerstag in Regensburg tagen. Christian Weisner, Sprecher der Laienbewegung „Wir sind Kirche“, beklagte, dass der vom Bischofskonferenz-Vorsitzenden Robert Zollitsch angestoßene Dialogprozess im Grunde nicht existiere: „Die anderen Bischöfe lassen ihn im Regen stehen.“ Zollitsch hatte die Gespräche vor zwei Jahren angeregt, nachdem bekannt geworden war, dass zahlreiche Priester sexuellen Missbrauch ausgeübt hatten. Er erklärte am Montag, der Start des Projektes sei „ausgesprochen gut“ verlaufen. „Wir sind nicht zufrieden, was in dieser Sache bisher passiert ist“, sagte hingegen Sigrid Grabmeier von „Wir sind Kirche“: „In keiner anderen Organisation können Männer mit mangelnder sexueller Reife so gut Unterschlupf finden wie in der katholischen Kirche“, daran habe sich bis heute nichts geändert.
In Hirtenworten sei nur noch von „geistlicher Erneuerung“ die Rede, bemängelte Weisner, manche Bischöfe hätten offenbar bereits den Grund für den angestrebten Dialog vergessen. Er kritisierte den Münchner Kardinal Reinhard Marx, der zwar Gesprächsbereitschaft „im Rahmen synodaler Formen“ signalisiert, zugleich aber betont hatte, dass sich an den Grundsätzen der Kirche nichts ändern werde.
Man müsse sich nicht wundern, sagte Berthold Starzinger vom Aktionskreis Regensburg, wenn sich inzwischen sogar Priester gegen die Bischöfe stellten und die Abschaffung des Zölibats forderten. Im Bistum Passau sympathisieren mehrere Pfarrer offen mit der österreichischen Initiative „Aufruf zum Ungehorsam“, auch in Würzburg und München sind demnächst Treffen geplant. „Wer jahrzehntelang erfolglos um Dialog gebettelt hat, schreitet nun zur Tat“, sagte Starzinger. Er rief die deutschen Bischöfe auf, die Forderungen ihrer Pfarrer in Rom zu unterstützen, auch Frauen und Verheiratete in Priesterberufen zuzulassen. Die Hoffnungen auf Veränderungen sind indes gering: Die Kirche steuere unter Papst Benedikt XVI. auf ihre Positionen vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) zu, sagte Magnus Lux.
Tadelnde Worte richteten die Kritiker auch an den Gastgeber der Konferenz, den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller. Dessen Umgang mit abweichenden Meinungen bezeichnete der Deggendorfer Professor Johannes Grabmeier als „Realsatire“. Ein Regensburger Priester zeichnete ein Bild vom Klima der Angst in dem Bistum, in dem 2014 der Deutsche Katholikentag stattfinden wird. Kaum ein Priester traue sich aus Furcht vor Sanktionen öffentlich aufzubegehren. Trotz allem freue man sich auf den Katholikentag, sagte Wallner: „Wir sind dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken dankbar, dass 2014 auch kritisch diskutiert werden darf.“
„Monarchistisch, autokratisch und mehr und mehr diktatorisch.“
Zuletzt geändert am 28.02.2012