11. September 2006 - Tagesspiegel
Neue Nähe
Von Claudia Keller, München
Gleich bei der Begrüßung auf dem Flughafen kam Bundespräsident Horst Köhler auf ein heikles Thema zu sprechen, auf die Ökumene zwischen katholischer und evangelischer Kirche in Deutschland. „Gerade in Deutschland, dem Land, in dem die Reformation ihren Ursprung hatte, richtet sich der Wunsch vieler Christen auf ökumenische Verständigung und ökumenischen Fortschritt“, sagte er. Als evangelischer Christ wolle er betonen: „Uns verbindet doch so viel mehr als uns trennt.“ Spontan antwortete der Papst: „Sie sprechen mir aus dem Herzen. Auch wenn man 500 Jahre nicht einfach bürokratisch oder durch gescheite Gespräche beiseite schieben kann – wir werden uns mit Herz und Verstand darum mühen, dass wir zueinander kommen.“ Im Rede-Manuskript waren diese Sätze nicht vorgesehen. Viele Protestanten, allen voran Bischof Wolfgang Huber, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, dürften sich über diese Äußerung sehr gewundert haben. Denn außer allgemeinen Bekundungen hat Joseph Ratzinger weder als Chef der Glaubenskongregation noch als Papst Benedikt XVI. bisher konkrete Schritte zu einer Annäherung unternommen.
Als Präfekt der Glaubenskongregation hat Joseph Ratzinger mit dem Dokument „Dominus Iesus“ schon vor sechs Jahren erheblichen Flurschaden angerichtet. Die volle Einheit der Christen ist demnach nur innerhalb der „wahren Katholizität“ möglich. Kern der Auseinandersetzung ist das unterschiedliche Amtsverständnis, das sich vor allem in der Rolle des Papstes, der Priester und ganz konkret in der Feier der Eucharistie manifestiert (Text korrigiert durch "Wir sind Kirche"). Nach römischem Verständnis kann nur ein geweihter katholischer Priester, der in der Nachfolge Petrus steht, die Kommunion austeilen, als Chef der Glaubenskongregation strafte nicht aber ein evangelischer Pfarrer. Ebenfalls Ratzinger den katholischen Priester Gotthold Hasenhüttl ab, der beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin vor drei Jahren gemeinsam mit einem evangelischen Pfarrer eine ökumenische Abendmahlsfeier nach katholischem Ritus zelebrierte. Hasenhüttl vertrete „Irrlehren“, hieß es zur Begründung.
Nach der Wahl Joseph Ratzingers zum Papst kam es erstmals vor dem Weltjugendtag im August vergangenen Jahres zu ernsthaften Verstimmungen mit den Protestanten, weil der Termin für eine Begegnung Benedikts XVI. mit Vertretern der evangelischen Kirche in Köln lange Zeit nicht feststand. Als das Datum dann bekannt war, wurde die Stimmung noch schlechter. Denn der Vatikan gab vor, mit wem der Papst sprechen würde. Die EKD hatte neben Bischof Huber auch die niedersächsische Landesbischöfin Margot Käßmann für die Begegnung ausgewählt, Sie stand aber nicht auf dem Wunschzettel des Papstes und nahm nicht teil.
Wenige Wochen nach dem Weltjugendtag führte die Trauerfeier für Frère Roger zu Irritationen. Bei der Beerdigung für den Gründer der ökumenischen Gemeinschaft in Taizé dominierte die katholische Liturgie. Bischof Huber war zwar eingeladen, fühlte sich aber nicht in die Trauerfeier einbezogen. Immer häufiger war danach vom „stotternden Ökumene-Motor“ in beiden Kirchen die Rede. Von einer „Erkaltung“ der Beziehungen sprachen viele, als die Evangelische Kirche schließlich im Herbst 2005 aus der gemeinsamen Arbeit an der Einheitsübersetzung der Bibel ausstieg. Die offizielle Sprachregelung von EKD und Bischofskonferenz für das momentane Verhältnis ist die „Ökumene der Profile“. Erst wenn man klar wisse, wo jeder stehe, könne man auch wieder aufeinander zugehen. Dass sich in nächster Zeit Grundsätzliches im Verhältnis ändern wird, ist unwahrscheinlich. Die Mühlen in Rom mahlen langsam. Wieso gemischt-konfessionelle Paare nicht gemeinsam zur Eucharistiefeier gehen dürfen, leuchtet außerhalb Roms allerdings kaum jemandem mehr ein.
Zuletzt geändert am 13.09.2006