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Veröffentlicht am 10­.04.2012

10.4.2012 - Rhein-Zeitung

Kritiker-Gastbeitrag: Kirche misst mit zweierlei Maß

Der 68-jährige frühere Gymnasiallehrer aus Neuwied-Oberbieber amtiert als ehrenamtlicher Vorsitzender der „Frauenwürde Neuwied“ (Schwangerenberatungsstelle). Zugleich ist er Ansprechpartner von „Wir sind Kirche“ in der Diözese Trier und engagiert sich ehrenamtlich in der Pfarrei St.Bonifatius Neuwied als Pfarrgemeinderat, Kommunionhelfer und Lektor. Weiterhin ist er in der Asylarbeit und bei der Neuwieder Tafel aktiv. Schladt fährt begeistert Fahrrad.

Von Hanspeter Schladt

"Schon seit mindestens einem halben Jahr kommt das Bistum Tier nicht zur Ruhe, und man wird den Eindruck nicht los, dass Bischof und Generalvikariat überfordert sind. Altfälle tauchen auf wie im Saarland, über die die Gläubigen zu spät informiert wurden. Oder im Hunsrück, wo selbst Verantwortliche in der Gemeinde nicht im Bilde waren. Auf der anderen Seite steht der Meinungsaustausch zum Thema „Sexueller Missbrauch“, zu dem Bischof Stephan Ackermann Anfang Januar nach Trier einlud, sich den Vorwürfen seiner Kritiker stellte und Fehler bei der Aufarbeitung einräumte. Es ging um relevante Fragen wie die Aufarbeitung von Fällen sexueller Gewalt, einen angemessenen Umgang mit den Opfern und den betroffenen Gemeinden – sicherlich gut gedacht, aber nicht weit genug. Wie Jutta Lehnert, die geistliche Leiterin der Katholischen Studierenden Jugend (KSJ) im Bistum Trier, äußerte, geht man nicht auf die grundsätzliche Frage nach den begünstigenden Strukturen der Kirche ein. Laut dieser Zeitung bezeichnete sie die katholische Kirche Anfang Januar als offenes Scheunentor für Sexualstraftäter.

Wunsch nach klarem Signal

Wie die Kirchenvolksbewegung schon mehrfach ausgeführt hat, sollen ehemalige Täter nicht nur aus der Kinder- und Jugendseelsorge, sondern aus jeglicher sakramentaler und seelsorgerischer Tätigkeit abgezogen werden. Das wäre wohl das klarste Signal gegenüber Opfern sexueller Gewalt innerhalb der Kirche wie auch gegenüber der Gesellschaft, in der die Kirche ja existiert, wenn es um eine wirkliche und ernsthafte Distanzierung von diesen Verbrechen geht.

An diesem Punkt wird auch deutlich, wie ungeeignet die Lösung ist, wenn ein Bischof Ansprechpartner für die Geschädigten ist und zugleich Dienstvorgesetzter der Täter und damit auch für sie verantwortlich. Von Anfang an hat sich die Kirchenvolksbewegung deshalb für unabhängige Ombudsstellen eingesetzt.

Als Sprecher der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ in der Diözese Trier hatte ich Verständnis für den Bischof geäußert (Rhein-Zeitung vom 30. März 2012) und dafür berechtigte Proteste von Opfern erhalten. In dem zugrunde liegenden Gespräch hatte ich allerdings die Wiederbeschäftigung an die Bedingungen geknüpft, dass ein forensisches Gutachten über die Einsatzmöglichkeiten vorliegt und dass es nicht zu Kontakt mit Minderjährigen kommen darf. „Kirche von unten“: Der Trierer Bischof Ackermann wird in der Position des „Missbrauch-Beauftragten“ zerrieben.

Erinnert wurde auch an den modernen Strafvollzug, der selbst Schwerstverbrechern unter Auflagen eine Chance gibt. Dafür müssen aber andere Lösungen als die bisherigen gesucht werden. Denn beispielsweise auch in der Alten- und Gefängnisseelsorge kommt die Aufarbeitung traumatischer Gewalterlebnisse in der Kindheit vor.

Gerade angesichts des rigiden Umgangs der Amtskirche mit Menschen, die zum Beispiel in einer Ehe gescheitert sind und eine neue Partnerschaft wagen, oder homosexuell veranlagten Menschen ist der naiv-schonungsvolle Umgang mit straffällig gewordenen Priestern umso schmerzhafter. Und genau hier liegt auch ein weiteres Glaubwürdigkeitsproblem, da mit unterschiedlichem und ungeeignetem Maß gemessen wird.

Woher rührt mein Faible für Bischof Ackermann? Bei einem Gespräch, zu dem er unsere Trierer Gruppe ein halbes Jahr nach seiner Einführung einlud, hatten wir einen ausgesprochen positiven Eindruck von diesem jungen Bischof. Vermutlich sahen das seine Bischofskollegen ähnlich, als sie ihm die schwierige und, wie sich zeigte, fast nicht zu bewältigende Aufgabe des „Missbrauch-Beauftragten“ übertrugen.

Respekt für Umgang mit Hippler

Sehr positiv sahen wir sein Umgehen mit dem Trierer Bistumspriester Stefan Hippler, der von der Deutschen Bischofskonferenz nach Kapstadt/Südafrika entsandt, dort mit dem Problem Aids konfrontiert wurde und sich praktisch und in seinem Buch für den Gebrauch von Kondomen ausgesprochen hat. Da die Bischofskonferenz seinen Vertrag nicht verlängerte (auch Lesereisen wurden untersagt), hat Bischof Stephan Ackermann entschieden, dass Hippler auf Trierer Kosten weiter in Südafrika verbleiben kann.

Ich wünsche mir, dass die Bischofskonferenz einen unabhängigen Beauftragten benennt und Bischof Ackermann nicht weiter in dieser Position zerrieben wird."

http://www.rhein-zeitung.de/startseite_artikel,-Kritiker-Gastbeitrag-Kirche-misst-mit-zweierlei-Mass-_arid,407725.html

Zuletzt geändert am 10­.04.2012