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Veröffentlicht am 24­.04.2012

24.4.2012 - DPA

Machtwort des Papstes: Deutsche Bischöfe müssen Messworte ändern

Von Matthias Hoenig, dpa

Machtwort des Papstes: Die deutschen Bischöfe müssen die Messworte ändern - Jesus sei «für viele» gestorben, nicht «für alle». Kirchenkritiker sehen einen Rückzug Roms in eine theologische Wagenburg. Der Papst fordert «Respekt vor dem Wort Jesu».

Bonn/Rom (dpa) - Nach jahrelangem Widerstand der deutschen Bischöfe hat Papst Benedikt XVI. jetzt förmlich die Weisung erteilt, die deutsche Übersetzung der Messworte in einem theologisch zentralen Punkt zu ändern. So soll es in den Wandlungsworten der Eucharistie nicht mehr heißen, dass Jesus «für alle» Menschen gestorben ist, sondern «für viele». Der Papst begründete dies mit einer möglichst wörtlichen Übersetzung der in der Bibel überlieferten Worte «pro multis» und «Respekt vor dem Wort Jesu». Kirchenkritiker warnen vor einem exklusiven Heilsanspruch, der die katholische Kirche in vorkonziliare Zeiten zurückwerfen und eine Wagenburgmentalität befördern könnte.

In seinem am Dienstag von der Bischofskonferenz veröffentlichten Schreiben vom 14. April räumte Benedikt ein, dass seine Anweisung auf Unverständnis stoßen wird. «Denn für den normalen Besucher des Gottesdienstes erscheint dies fast unvermeidlich als Bruch mitten im Zentrum des Heiligen. Sie werden fragen: Ist nun Christus nicht für alle gestorben? Hat die Kirche ihre Lehre verändert? Kann und darf sie das? Ist hier eine Reaktion am Werk, die das Erbe des Konzils zerstören will?»

Die Bischofskonferenz reagierte am Dienstag mit einem sprachlich kühlen Statement: Der Papst-Brief sei «eine Klärung und Abschluss einer Diskussion». Die Reformbewegung «Wir sind Kirche» äußerte die Erwartung, dass die Bischöfe im deutschsprachigen Raum weiterhin bei der nachkonziliaren Übersetzung «für alle» bleiben werden, die 1975 und 1984 von römischen Gremien intensiv geprüft wurde.

Eine Sprecherin der Bischofskonferenz sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei noch unklar, in welchem Zeitrahmen die Aufforderung des Papstes umgesetzt werde. Die Messworte bei der Feier der Eucharistie lauten bisher: ««Mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird.»

Der Papst hielt in seinem Brief trotz der geänderten Übersetzung an der bisherigen theologischen Deutung fest, dass sich Jesus Christus für alle Menschen hingegeben hat. Dennoch schrieb Benedikt: «An die Stelle der interpretativen Auslegung "für alle" muss die einfache Übertragung "für viele" stehen.»

Bereits im Jahre 2006 hatte Rom die Bischofskonferenzen in aller Welt aufgefordert, die Messworte entsprechend zu ändern. Die Deutsche Bischofskonferenz hat diese Aufforderung bislang nicht umgesetzt.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, bezeichnete in seiner Stellungnahme den Brief als «wichtigen Impuls, die Übersetzung des Messbuches voranzubringen».

Christian Weisner von «Wir sind Kirche» findet die Papst-Weisung theologisch problematisch. Bereits vor Jahren sei die Änderung von Theologen zu Recht kritisiert worden, sagte Weisner am Dienstag der dpa. Die vom Papst selber angesprochenen pastoralen Probleme würden sich jetzt noch verschärfen.

Weisner erinnerte an das 2006 von Papst Benedikt XVI. angewiesene Schreiben der vatikanischen Gottesdienstkongregation. Darin heißt es: «Es ist ein Dogma des Glaubens, dass Christus für alle Männer und Frauen am Kreuz gestorben ist.» Deshalb bleibe, so Weisner, zu fragen, «was Absicht und Hintergrund dieser Rückkehr zur wörtlich zwar richtigen aber theologisch problematischen vorkonziliaren Übersetzung "für viele" ist».


Nach Einschätzung des renommierten Neutestamentlers Prof. Thomas Söding (Bochum) dürften Spekulationen, der Papst wolle den erzkonservativen, von Rom getrennten Pius-Brüdern entgegenkommen, falsch sein. Dem Papst dürfte es vielmehr darum gehen, «dass die katholische Kirche mit einer Zunge in vielen Sprachen redet». Denn seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) seien die Übersetzungen der biblischen Abendmahlsworte sehr auseinandergedriftet, zwischen den Polen «für viele» und «für alle».

«Das Thema ist heiß», meinte Söding, der Mitglied der internationalen Theologen-Kommission des Vatikans und Consultor des Päpstlichen Rates für die Neuevangelisierung ist. Den Papst-Brief an die Bischöfe mit detaillierten theologischen Erläuterungen versteht Söding so: «Ihr müsst den Leuten verständlich machen "wir drücken uns biblisch aus, aber das bedeutet nicht, dass wir nicht mehr Kirche "für alle" sind.»

In Kirchenkreisen verlautete die Einschätzung, dass viele Priester in Deutschland eine Änderung der Messworte nicht befolgen werden. «Die Sache wird zum Prüfstein für Rechtgläubigkeit», meinte ein Insider, der namentlich nicht genannt werden wollte.

Zuletzt geändert am 24­.04.2012