| |
Veröffentlicht am 10­.05.2012

10.5.2012 - Badische Neueste Nachrichten

„Wir brauchen eine Mitmachkirche“

Mannheimer Katholikentag sucht Weg aus der Krise / Rückläufige Mitgliederzahlen

Von unserem Mitarbeiter Ingo Senft-Werner Mannheim. Das Motto des Kirchentages kann durchaus zweideutig verstanden werden: „Einen neuen Aufbruch wagen“ – das klingt nach neuen Ufern, aber es ist auch denkbar, dass Gräben und Konflikte erneut aufbrechen. Denn bei wichtigen Fragen wie dem Diakonat der Frau und der Aufhebung des Zölibats stehen sich die Mehrheit der Gläubigen und der Vatikan fast unversöhnlich gegenüber. „Im konstruktiven Dialog“ will der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, beim Katholikentag nach Auswegen suchen. Doch was hilft reden, wenn andere das Sagen haben?

Selbst die von Glück propagierte Streitkultur wird mit einem Fragezeichen versehen. Zwar verweist das ZdK immer wieder darauf, „dass es keine Tabuthemen gibt“ und der Katholikentag „keine Harmonieveranstaltung“ sein muss. Dennoch hegen kritische Basisgruppen Zweifel, dass es zum offenen Gespräch kommen kann. „Auch auf dem Katholikentag bestimmten die Bischöfe die Themen“, kritisiert etwa die Initiative „Wir sind Kirche“. Deshalb hat sie mit anderen Gruppen ein Alternativprogramm organisiert, bei dem auch wenig gelittene Theologen wie Eugen Drewermann zu Wort kommen.

Ein übergreifendes Thema treibt dabei alle um: Wie geht es mit der katholischen Kirche weiter angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen und fehlender Priester. Die Statistik der Bischofskonferenz führt für 2010 rund 24,6 Millionen Katholiken, 2,2 Millionen weniger als im Jahr 2000. Die Zahl der Gemeindestellen sank im gleichen Zeitraum von 13 214 auf unter 12 000.

Die Gläubigen fürchten um den Bestand ihrer Kirche im Dorf. Zu recht, denn angesichts des Priestermangels erscheint es konsequent, noch weitere Gemeinden zusammenzulegen. Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa hat die Richtung vorgegeben: „Wer zum Baumarkt fährt, kann auch zur Kirche fahren.“ Nicht nur dieses Zitat sorgte für heftige Debatten, sondern auch sein Plan, Wortgottesdienste von Laien am Sonntag zu verbieten. Damit hat er sich auch den Unmut einiger seiner Kollegen zugezogen, die gerade mit der Stärkung der Laien dem Priestermangel begegnen wollen. „Wir sind herausgefordert, uns stärker zu besinnen, was alle Gläubigen tun können für das Leben der Kirche und die Weitergabe des Glaubens“, sagt etwa der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. „Laien stützen das Leben der Kirche, auch dann, wenn wir weniger Priester haben.“

Darin ist er sich mit Christian Weisner von „Wir sind Kirche“ einig. Der sagt: „Die klerikale Kirche ist out. Wir brauchen eine Mitmachkirche, keine Versorgungskirche.“ Die entscheidende Frage ist aber: Was dürfen die Laien? „Für Eucharistiefeiern und die Heilige Messe hat der Priester die letzte Verantwortung“, stellt Zollitsch klar. Der Dienst an den Sakramenten bleibt tabu, über alles andere kann geredet werden.

Dadurch bleibt jedoch die geringe Zahl der Priester der entscheidende Engpass. Nicht zuletzt deshalb wird der Ruf immer lauter, den Zölibat fallen zu lassen und auch Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Doch bei diesen Fragen kommt aus dem Vatikan nur eine Antwort: Nein.

So kann beim Katholikentag zwar über alles diskutiert werden – aber fast alles wird wohl in den Wind gesprochen sein. Der österreichische Priester-Rebell Helmut Schüller hat deshalb Seelsorger und Gläubige erneut offen zum Widerstand aufgerufen. „Wenn Reformen nicht von oben offensiver aufgegriffen werden, dann müssen sie einfach unten praktiziert werden.“

Zuletzt geändert am 10­.05.2012