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Veröffentlicht am 14­.05.2012

14.5.2012 - Südwest-Presse

Sehnsucht nach Aufbruch

Mannheim. Die katholische Kirche steckt im Dilemma: Reformen sind dringend nötig, doch der Vatikan blockiert. Der Katholikentag in Mannheim setzt auf Gespräche. Ob er damit wirklich etwas bewegen kann, ist fraglich.

Das Motto des Kirchentages kann durchaus zweideutig verstanden werden: "Einen neuen Aufbruch wagen". Das klingt nach neuen Ufern, aber es ist auch denkbar, dass Gräben und Konflikte erneut aufbrechen. Denn bei wichtigen Fragen wie dem Diakonat der Frau und der Aufhebung des Zölibats stehen sich die Mehrheit der Gläubigen und der Vatikan fast unversöhnlich gegenüber.

"Im konstruktiven Dialog" will der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, beim Katholikentag nach Auswegen suchen. Doch was hilft reden, wenn andere das Sagen haben? Selbst die von Glück propagierte Streitkultur wird mit einem Fragezeichen versehen. Zwar verweist das ZdK immer wieder darauf, "dass es keine Tabuthemen gibt" und der Katholikentag "keine Harmonieveranstaltung" sein müsse. Dennoch hegen kritische Basisgruppen Zweifel, dass es zum offenen Gespräch kommen kann. "Auch auf dem Katholikentag bestimmen die Bischöfe die Themen", kritisiert etwa die Initiative "Wir sind Kirche". Deshalb hat sie mit anderen Gruppen ein Alternativprogramm organisiert, bei dem auch wenig gelittene Theologen wie Eugen Drewermann zu Wort kommen.

Ein übergreifendes Thema treibt dabei alle um: Wie geht es mit der katholischen Kirche weiter angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen und fehlender Priester? Die Statistik der Bischofskonferenz führt für 2010 rund 24,6 Millionen Katholiken, 2,2 Millionen weniger als im Jahr 2000. Die Zahl der Gemeindestellen sank im gleichen Zeitraum von 13 214 auf unter 12 000.

Die Gläubigen fürchten um den Bestand ihrer Kirche im Dorf. Zu recht, denn angesichts des Priestermangels erscheint es konsequent, weitere Gemeinden zusammenzulegen. Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa hat die Richtung vorgegeben: "Wer zum Baumarkt fährt, kann auch zur Kirche fahren." Nicht nur dieses Zitat sorgte für heftige Debatten, sondern auch sein Plan, Wortgottesdienste von Laien am Sonntag zu verbieten.

Damit hat er sich auch den Unmut einiger Kollegen zugezogen, die gerade mit der Stärkung der Laien dem Priestermangel begegnen wollen. "Wir sind herausgefordert, uns stärker zu besinnen, was alle Gläubigen tun können für das Leben der Kirche und die Weitergabe des Glaubens", sagt etwa der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. "Laien stützen das Leben der Kirche, auch dann, wenn wir weniger Priester haben." Darin ist er sich mit Christian Weisner von "Wir sind Kirche" einig. Der sagt: "Die klerikale Kirche ist out. Wir brauchen eine Mitmachkirche, keine Versorgungskirche." Die entscheidende Frage ist aber: Was dürfen die sogenannten Laien? "Für Eucharistiefeiern und die Heilige Messe hat der Priester die letzte Verantwortung", stellt Zollitsch klar. Doch wenn der Dienst an den Sakramenten tabu ist, bleibt die Zahl der Priester der entscheidende Engpass. Nicht zuletzt deshalb wird der Ruf immer lauter, den Zölibat fallen zu lassen und auch Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Doch bei diesen Fragen kommt aus dem Vatikan nur eine Antwort: Nein.

So kann beim Katholikentag zwar über alles diskutiert werden - ob es Folgen hat, ist eine andere Frage. Der österreichische Priester-Rebell Helmut Schüller hat deshalb erneut offen zum Widerstand aufgerufen. "Wenn Reformen nicht von oben offensiver aufgegriffen werden, dann müssen sie einfach unten praktiziert werden." Glück appelliert derweil an die Gesprächsbereitschaft aller Gruppen - auch wenn die Papsttreuen dem Kirchentag weitgehend fern bleiben. "Ich hoffe, dass wir mit Beharrlichkeit und qualifizierter Diskussion doch viel bewegen können", sagt Glück.

http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Sehnsucht-nach-Aufbruch;art4319,1461525

Zuletzt geändert am 14­.05.2012