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Veröffentlicht am 16­.05.2012

16.5.2012 - Süddeutsche Zeitung

In der Klemme

Beim Treffen der katholischen Basis geht es um die Zukunft der Kirche – doch allzu kritische Geister sind unerwünscht



Von Matthias Drobinski Mannheim – Den Rucksack haben sie zu ihrem Zeichen gemacht, rot und auffällig, als Zeichen des Weges und der Veränderung – „Einen neuen Aufbruch wagen“ heißt das Leitwort des 98. Deutschen Katholikentages in Mannheim. Das Ding mit seinen schmalen Riemen, dem jeglicher Tragekomfort abgeht, könnte allerdings auch dafür stehen, dass mancher der erwarteten 25 000 Dauer- und bis zu 40 000 Tagesgäste schwer trägt an seiner Kirche, und das manchmal unter Schmerzen. Auf Katholikentagen treffen sich die Christen aus den Gemeinden und Verbänden, und die fühlen sich derzeit oft eingeklemmt zwischen einer Kirchenleitung, die sie als unbeweglich empfinden, und einem säkularen Umfeld, von dem sie sich unverstanden fühlen. Aus dieser Klemme also soll der Mannheimer Aufbruch führen, hoffen die Verantwortlichen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Das Programm des Treffens ist bunt und vielfältig, wie Katholiken- und Kirchentagsprogramme das seit vielen Jahren sind: Es kommen Top-Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, es gibt ein eigenes Forum zum Dialog der Kirche mit den Wissenschaften, Podien darüber, wie die Welt friedlicher und gerechter werden kann und das Klima geschützt, Veranstaltungen zum christlich-islamischen und christlich-jüdischen Dialog und überhaupt dazu, was christlicher Lebensstil und christliches Leben überhaupt heute bedeuten. Es gibt Kultur, Kabarett, Gebet, insgesamt 1200 Veranstaltungen bis zum Abschlussgottesdienst am Sonntag.

„Trotzdem gibt es diesmal einen Schwerpunkt bei den Themen zur Zukunft der katholischen Kirche“, sagt Theo Bolzenius, der Sprecher des ZdK. Das Treffen soll schließlich Teil des groß angelegten innerkirchlichen Dialogprozesses werden, mit dem die deutschen Bischöfe die Krise überwinden wollen, in der die katholische Kirche seit dem Missbrauchsskandal steckt. Ungefähr die Hälfte der deutschen Bischöfe sucht in Mannheim den Dialog mit dem Kirchenvolk. Doch allzu kritische Geister wie der Sprecher der österreichischen Ungehorsams-Initiative, Pfarrer Helmut Schüller, treten nur bei der Kirchenvolksbewegung „ Wir sind Kirche “ auf.

Am Dienstag verabschiedete das ZdK einen „Mannheimer Aufruf“ zum Katholikentag: Christen sollten nicht resignieren und sich zurückziehen, sondern sich in Kirche und Gesellschaft engagieren. Die Katholiken aus den Verbänden und Diözesanräten wünschen sich das „Leitbild einer dienenden Kirche“. ZdK-Präsident Alois Glück sagte, Neuerungen seien in der Kirche immer von unten gekommen. Die Kirche leide zurzeit unter einer „mangelnden Gesprächs- und Diskussionskultur“. Dagegen solle der Katholikentag ein „offenes Forum ohne Tabuisierungen“ sein.

Zuletzt geändert am 20­.05.2012