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Veröffentlicht am 21­.05.2012

21.5.2012 - Süddeutsche Zeitung

Einsatz für die Politik

Bundespräsident Gauck ruft Christen zu Engagement in Staat und Gesellschaft auf

Von Matthias Drobinski

Mannheim – Bundespräsident Joachim Gauck hat die Christen aufgerufen, sich im Staat und in der Gesellschaft zu engagieren. „Wir brauchen Menschen, die Nein sagen zur Kultur des Todes und zum Ersticken im Überfluss“, sagte der Präsident auf einem Empfang zum Abschluss des 98. Deutschen Katholikentages. Christen sollten Politik nicht als etwas Schmutziges betrachten; wer sich als religiöser Mensch verstehe, stehe auch in politischen Bezügen. Die friedliche Revolution 1989 zum Beispiel sei ohne die „unzähligen Aktivisten“ aus den christlichen Gemeinden nicht vorstellbar gewesen. Gauck sagte, als evangelischer Christ träume er davon, einmal an der katholischen Eucharistie teilnehmen zu können, „ohne dass ich damit jemanden störe“. Zugleich sei er realistisch genug, um zu wissen, dass zuvor theologische Unterschiede überwunden werden müssten, sagte der ehemalige Pfarrer.

Der Katholikentag, an dem nach Angaben des veranstaltenden Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) insgesamt 80 000 Dauer- und Tagesgäste teilnahmen, war zuvor mit einem Gottesdienst mit 20 000 Gläubigen vor dem Mannheimer Schloss zu Ende gegangen. Dort sagte der ZdK-Präsident Alois Glück, nur anklagen oder jammern sei nicht der Weg der Christen. Sie sollten mit Wertorientierung, Sachverstand und langem Atem den Freiheitsraum der Gesellschaft mitgestalten. Der Kompass dafür sei die unantastbare Menschenwürde. Glück kritisierte rechtsradikale Gruppierungen, die unter Berufung auf „christlich-abendländische Werte“ Stimmung gegen Ausländer, Homosexuelle oder anderen Gruppen machten. Der Freiburger Erzbischof und Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sagte, die Katholikentagsbesucher hätten gezeigt, „dass Kirche lebendig und dynamisch ist, dass von uns Christen ein Aufbruch ausgeht, den unsere Welt und unsere Kirche benötigen“.

Die Reformgruppen „ Wir sind Kirche “ und „Kirche von unten“ kritisierten, dass es in Mannheim keinen wirklichen Aufbruch gegeben habe. Helmut Schüller, der Sprecher der „Ungehorsams-Initiative“ österreichischer Pfarrer, sagte am Samstag, es sei „Widerstand nötig, weil es in der Kirche keine geordnete Form der Auseinandersetzung gibt“. Jetzt müssten alle Gläubigen zeigen, dass sie sich Veränderungen wünschen: „Sprechen Sie Ihren Bischof an“, sagt Schüller, „wenn er zur Firmung kommt, und schauen Sie nicht nur, dass ihr Enkel auf dem Foto ist!“

Zuletzt geändert am 27­.05.2012