12.6.2012 - www.welt.de
Ungehorsame Priester in Freiburg machen Zollitsch Sorgen
Freiburg (dapd-bwb). Der Aufruf zum Gehorsam ist bislang nahezu ungehört verhallt: Inzwischen haben 177 Priester und Diakone der Erzdiözese Freiburg eine Erklärung unterschrieben, mit der sie sich gegen katholisches Kirchenrecht stellen. Sie setzen sich dafür ein, dass wiederverheiratete Geschiedene die Sakramente - wie das Abendmahl - empfangen dürfen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, befindet sich in einer schwierigen Situation.
"Wir bringen mit unserer Unterschrift zum Ausdruck, dass wir uns in unserem pastoralen Handeln gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen von der Barmherzigkeit leiten lassen", heißt es in der Erklärung. Und: "Uns ist bewusst, dass wir damit oft gegen derzeit geltende kirchenrechtliche Vorschriften der römisch-katholischen Kirche handeln." Hinter der Initiative steht immerhin ein Fünftel der Pfarrer der Erzdiözese.
Generalvikar Fridolin Keck hatte seine Mitbrüder im Namen Zollitschs darum gebeten, das Dokument nicht zu unterzeichnen oder eine bereits gegebene Unterschrift zurückzuziehen. Dies geschah bisher nur einmal. "Eine Positionierung zum jetzigen Zeitpunkt und unter dem Vorzeichen, dass die Unterzeichner sich bewusst über das Kirchenrecht hinwegsetzen, halten wir für kontraproduktiv", heißt es in einem Brief von vergangener Woche.
Einer der Initiatoren der Erklärung, der Freiburger Pfarrer Konrad Irslinger, glaubt um die Zwickmühle zu wissen, in der der Erzbischof sich befindet. "Es ist uns allen bewusst, dass Zollitsch innerlich auf unserer Seite ist", sagte er in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. Aber die Erzdiözese könne keine "generelle und undifferenzierte Praxis billigen, die eigenmächtig gegen die Vorgaben der Weltkirche verstößt", schreibt Keck in einem insgesamt milde gehaltenen Schreiben.
Der Papst hatte beim Weltfamilientreffen in Mailand Anfang Juni noch einmal deutlich gemacht, dass für wiederverheiratete Geschiedene Abendmahl, Beichte und Absolution nicht in Frage kommen. Auch bei einigen deutschen Bischöfen und Kardinälen hatte sich Zollitsch bereits eine Abfuhr bei diesem Thema geholt. Die Lage scheint verfahren.
"Wir haben uns geoutet, denn wir leiden an dieser Situation", sagt Pfarrer Irslinger. In den Gemeinden der Unterzeichner gehen wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion und empfangen das Bußsakrament und die Krankensalbung. "Aber was wir tun, ist nicht erlaubt, und wir können diesen Spagat nicht mehr halten", betont er. Die Pfarrer befinden sich somit in einem Gewissenskonflikt zwischen Barmherzigkeit und Kirchenrecht.
Christian Weisner von der Kirchenreformbewegung "Wir sind Kirche" befürchtet, dass das Thema "Geschiedene Wiederverheiratete " die Kirche in Deutschland vor eine ähnliche Zerreißprobe stellen wird, wie damals das Nein Roms zur Schwangerschaftskonfliktberatung. Weisner zitiert Zahlen des Ordinariats München, wonach 40 Prozent der Paare, die sich dort standesamtlich trauen lassen, der kirchliche Segen verwehrt bleibt, weil ein Partner zuvor bereits verheiratet war. "Nicht der Ungehorsam der Priester ist der Skandal, sondern die Untätigkeit der Oberhirten", kritisiert er.
Das Thema schwelt seit Jahrzehnten und wurde bereits bei der Würzburger Synode 1975 angesprochen. Auch Zollitschs Vorgänger, Oskar Saier, hat bereits versucht, hier Fortschritte zu erzielen. Der Freiburger Pfarrer Irslinger weiß, dass mit einem schnellen Erfolg nach der Erklärung nicht zu rechnen ist. "Das ist nur ein Baustein dafür, dass endlich einmal etwas geschieht." Und er wünscht sich, dass die Freiburger Aktion Vorbildfunktion bekommt für andere. Im Südwesten jedenfalls gibt es bereits weitere Bestrebungen, die Strukturen aufzubrechen. Die Aktionsgemeinschaft Rottenburg - eine Gruppe von Priestern und Diakonen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart - verfolgt die gleichen Ziele.
http://www.welt.de/newsticker/news3/article106508857/Ungehorsame-Priester-in-Freiburg-machen-Zollitsch-Sorgen.html
Zuletzt geändert am 12.06.2012