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Veröffentlicht am 14­.06.2012

14.6.2012 - Oldenburgische Volkszeitung

„Wir würden einen Piusbruder nicht nehmen“

Lokale Kirchen-Experten distanzieren sich

Die Versöhnungsgespräche zwischen dem Vatikan und der erzkonservativen Piusbruderschaft stehen vor dem Abschluss.Was heißt das für uns?

Von Andreas Lesch

Kreis Vechta. Besorgt verfolgen Experten aus dem Kreis Vechta die Versöhnungsgespräche zwischen dem Vatikan und der erzkonservativen Piusbruderschaft „Ich hoffe, dass die katholische Kirche kein vorschnelles Ja zu den Piusbrüdern sagt, ehe sie sich nicht zum Zweiten Vatikanischen Konzil bekennen“, sagt die Vechtaerin Gabriele Lachner, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Niedersachsen (ACKN)..

Die Piusbrüder wollen die Entscheidungen des Konzils rückgängig machen. Sie akzeptieren nur Gottesdienste auf Latein, vom Priester mit dem Rücken zur Gemeinde gefeiert. Sie erkennen ökumenische Bestrebungen nicht an. Sie lehnen die Religionsfreiheit ab, die in Deutschland durch das Grundgesetz garantiert ist. Zurzeit sind die Priester der Piusbruderschaft suspendiert und wirken ohne kirchliche Erlaubnis. Nun zeichnet sich aber eine Einigung zwischen ihr und dem Vatikan ab..

Prälat Kossen glaubt, dass ein Piusbruder eine Gemeinde spalten würde

Wenn in der Kirche Entscheidungen des Konzils rückgängig gemacht würden, müsse man sich fragen, „ob man sich da noch zu Hause fühlen kann“, sagt der gebürtige Lohner Claus Peter Poppe, Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.

Prälat Peter Kossen vom Offizialat Vechta betont, trotz des zunehmenden Priestermangels sei es undenkbar, dass ein Piusbruder in unserer Region je eine Gemeinde leiten könnte: „Wir brauchen viele, aber wir nehmen nicht jeden. Wir würden einen Piusbruder nicht nehmen.“ Denn er „würde eine Gemeinde spalten“, glaubt Kossen. Das wolle man keinem zumuten. Für eine Führungsaufgabe sei es wichtig, „dass man nicht polarisiert, sondern zusammenführt“. Bei einem Piusbruder könne man aber „nicht davon ausgehen, dass er diese Fähigkeiten hat“.

Politiker Poppe würde eine Einigung massive Bauchschmerzen bereiten
An der kirchlichen Basis im Kreis Vechta würde man die Folgen einer Einigung zwischen dem Vatikan und den Piusbrüdern kaum spüren – da sind sich Kossen und der evangelische Kreispfarrer Michael Braun einig. Zum einen, weil die Piusbrüder nach eigenen Angaben zurzeit weltweit nur 552 Priester haben; zum anderen, weil sie sich bisher in unserer Region nicht engagiert haben und eher in Süddeutschland aktiv sind.

Kossen glaubt, durch eine Einigung mit dem Vatikan gäbe es in der Ökumene „Irritationen – aber nicht mehr“. Braun betont, zwischen katholischer und evangelischer Kirche sei bei uns „eine Kultur der Wertschätzung gewachsen. Das kann man nicht einfach so zurückdrehen.“

Für die Ökumene insgesamt würde die ACKN-Vorsitzende Lachner eine Einigung jedoch „als Desaster empfinden, denn ich kann bei den Pius-Brüdern keine demokratische Gesprächskultur erkennen – und das ist ja der Kern der Ökumene: dass ich den anderen anerkenne und würdige, auch wenn ich nicht seinerMeinung bin.“.

Der SPD-Politiker Poppe sagt, ihm würde eine Einigung „massiv Bauchschmerzen bereiten“ – speziell weil die Piusbrüder gegen die Religionsfreiheit sind, sich also einen Staat wünschen, in dem Nicht-Katholiken gegenüber Katholiken benachteiligt sind: „Das geht gar nicht.“

Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung „Wir sind Kirche“, sieht das ähnlich. Er merkt an: „Die Pius-Brüder sind nicht nur theologisch, sondern auch politisch eine traditionalistisch- fundamentalistische Gruppe. Darin sehe ich ihre besondere Gefährlichkeit.“ Angesichts ihrer anti-jüdischen Einstellungen schlägt er vor: „Man sollte überprüfen, ob sie als verfassungsfeindliche Gruppierung einzustufen sind.“

Eine Einigung mit den Piusbrüdern, glaubt Weisner, würde „ein weiteres Auseinanderdriften der katholischen Kirche befördern“ – und die sei ja schon „zwischen rechts und links sowie zwischen oben und unten polarisiert“.
Prälat Kossen dagegen kann sich „nicht vorstellen, dass die Piusbrüder Einfluss auf das Denken der Kirche hätten“. Wenn sie sich weigerten, die Messe in der üblichen Form zu feiern, dann stellten sie sich „außerhalb der Kirche“, so Kossen.





Meine Meinung

Fremder Papst

Von Andreas Lesch

Der Papst muss für die Einheit der Kirche sorgen, das gehört zu seinem Job. Ist es da nicht gut,wenn er sich um eine Versöhnung mit den erzkonservativen Piusbrüdern bemüht? Nein, das ist nicht gut – weil für eine Einigung jede Basis fehlt. Das Kirchenbild, das Weltbild,das Menschenbild der Piusbrüder ist so inakzeptabel, dass ihre Wiederaufnahme in die Kirche jeden fortschrittlich denkenden Christen in die Verzweiflung treiben würde. Sie würde die Kirche nicht einen,sondern weiter auseinander treiben. Den Experten aus dem KreisVechta sind diese Gefahren bewusst. Sie gehen zu den Piusbrüdern klar auf Distanz,und sie haben dafür gute Argumente. Der Vatikan aber scheint die Kritikpunkte für nebensächlich zu halten. Diese Diskrepanz zeigt,wie himmelweit sich die Kirchenleitung von der Kirchenbasis mittlerweile entfernt hat – und wie fremd die Gedanken der ganz normalen Gläubigen dem Papst geworden sind.

Zuletzt geändert am 14­.06.2012