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Veröffentlicht am 19­.06.2012

19.6.2012 - Bayrischer Rundfunk www.br.de

Augsburger Richter bremst katholische Kirche ein

Streit um lesbische Erzieherin

Die katholische Kirche hat vor dem Verwaltungsgericht Augsburg eine Niederlage kassiert: Sie darf einer lesbischen Erzieherin, die in einem katholischen Kindergarten arbeitet, nicht während der Elternzeit kündigen.

Die 39-Jährige genießt nach der Geburt ihres Kindes einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser macht bei einer Kündigung grundsätzlich die Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamt zur Bedingung. Da die Behörde diese verweigerte, zog die Kirche vor Gericht. Die Homosexualität der Kindergärtnerin aus dem Landkreis Neu-Ulm verstoße gegen die katholischen Moralvorstellungen, so die Kirche in der Begründung für die Kündigung. Die Frau aus dem Landkreis Neu-Ulm hatte ihre sexuelle Orientierung jahrelang geheim gehalten. Nach der Geburt ihres Kindes habe sie das ändern wollen, sagte die Erzieherin. Sie informierte ihren kirchlichen Arbeitgeber, dass sie eine Lebenspartnerschaft mit einer Frau eingegangen sei. "Ich wollte es sagen, um dieser Geheimnistuerei, dieser Lügerei, ein Ende zu setzen."

Der Augsburger Richter Ivo Moll betonte, die Kirche habe sehr wohl das Recht, jemandem zu kündigen, der gegen religiöse Glaubenssätze verstoße. Religionsgemeinschaften können ihre Angelegenheiten grundsätzlich eigenverantwortlich regeln. "So etwas wie eine Lebensgemeinschaft zwischen Frauen ist natürlich für die Kirche undenkbar", sagte Moll. Dies rechtfertige aber nicht, die besonderen Elternzeit-Schutzbestimmungen außer Kraft zu setzen.

"Verstoß gegen Loyalitätspflicht"

Bistumssprecher Markus Kremser hatte vor der Verhandlung betont, dass es sich aus Sicht der Diözese um einen so schwerwiegenden Verstoß gegen die Loyalitätspflicht eines Mitarbeiters handle, dass eine Kündigung ohne Aufschub wirksam werden müsse. Die kirchliche Grundordnung sei Bestandteil jedes Arbeitsvertrages. Die Mitarbeiter wüssten, dass ihnen bei Verstößen die Kündigung drohe. Insbesondere Erzieher müssten die Grundsätze des katholischen Glaubens und der Sittenlehre akzeptieren.

Diese Ansicht konnte die Kirche zwar nicht nach ihren Vorstellungen durchsetzen, aber nach Ablauf der Elternzeit ist der Rauswurf der Erzieherin wohl unvermeidlich. "Die wollen mich auf jeden Fall loswerden und ich glaube auch nicht, dass ich noch einen Fuß in den Kindergarten setzen kann", sagte die Erzieherin, eine gläubige Katholikin, im Anschluss an die Verhandlung.

Image der Kirche gefährdet?

Der Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) begrüßte das Urteil. Es mache klar, dass sich auch die katholische Kirche nicht einfach über die Rechte von homosexuellen Angestellten hinwegsetzen könne, sagte Manfred Bruns, Sprecher des LSVD. Das Urteil bestätige die Linie des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesarbeitsgerichts. Zuvor hatte sich bereits die kirchenkritische Laienbewegung "Wir sind Kirche" in die Debatte eingeschaltet: Die katholische Kirche wolle ihr Recht über alles stellen, obwohl auch katholische Kindergärten wesentlich von staatlichen Mitteln finanziert würden, monierte Christian Weisner, Sprecher von "Wir sind Kirche". Ein solcher Prozess könne dem Image der Kirche zusätzlich schaden. Weisner äußerte sein Unverständnis darüber, dass die Frau während der Elternzeit hinausgeworfen werden sollte. "Die Moral wird durchgefochten - koste es, was es wolle." Wenn es um Sexualität gehe, sei die kirchliche Moral sehr undifferenziert.

ZITAT "Ein weniger verkrampfter und verbotsbetonter Umgang der katholischen Kirche mit Homosexualität ist dringend nötig."
Christian Weisner, Sprecher von 'Wir sind Kirche'


AUDIO-LINK Wolfgang Küpper: Lesbische Erzieherin "Kirchliche Vorstellung muss hinten anstehen"

http://www.br.de/themen/aktuell/inhalt/lesbische-erzieherin-bistum100.html

Zuletzt geändert am 20­.06.2012