12. September 2006 - Hamburger Morgenpost
Kein Ökumene-Vorstoß des Papstes
Bei einem ökumenischen Gottesdienst im Regensburger Dom sagte der Papst am Dienstagabend, im gemeinsamen Bekenntnis zu Gott «gibt es keine Trennung zwischen uns. Dass dieser gemeinsame Grund immer stärker werde, darum wollen wir beten.» Zu strittigen Themen wie dem gemeinsamen Abendmahl äußerte sich Joseph Ratzinger nicht. Die katholische Reformbewegung «Wir sind Kirche» zeigte sich enttäuscht. «Die Vesper hat kein Hoffnungszeichen für die Ökumene gebracht», sagte deren Sprecher Christian Weisner der dpa.
Am Vormittag hatte der Papst bei einem Open-Air-Gottesdienst nahe Regensburg die Unverzichtbarkeit des Glaubens auch in der modernen Welt betont und den Atheismus als Irrweg verurteilt. Vor 250 000 Menschen prangerte er dabei auch den weltweit immer wieder aufbrechenden religiösen Hass und Fanatismus an. Benedikt rief die Christen auf, nicht gleichgültig gegenüber dem Unrecht zu sein, «wir dürfen nicht seine Mitläufer oder sogar Mittäter werden». Zum Auftakt der Messe war der Heilige Vater bei seiner Fahrt im Papamobil wie schon an den Tagen zuvor mit begeisterten «Benedetto»-Rufen gefeiert worden. Viele Gläubige hatten bereits seit der Nacht auf den Heiligen Vater gewartet.
An dem Abendgottesdienst nahmen auch evangelische und orthodoxe Christen sowie Juden teil. In einer gemeinsamen Prozession waren sie zum Dom gezogen. In seiner Ansprache appellierte der Papst an alle Christen, unbeirrt für ihren Glauben Zeugnis abzulegen. «In der Zeit der multireligiösen Begegnungen sind wir leicht versucht, dieses zentrale Bekenntnis etwas abzuschwächen oder gar zu verstecken. Aber damit dienen wir der Begegnung nicht und nicht dem Dialog», sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche. «In einer Welt voller Verwirrung müssen wir wieder Zeugnis geben von den Maßstäben, die Leben zu Leben machen.» Dies sei gemeinsame Aufgabe aller Christen.
Bayerns evangelischer Landesbischof Johannes Friedrich stellte in seiner Rede die Frage, wie die Kirche als universale Gemeinschaft ihr Zusammenleben gestalten wolle. «Ist es geprägt von ängstlicher Selbstbewahrung der Konfessionen und kirchlichen Gemeinschaften, oder von der Liebe, die Gott in uns verströmt?» Friedrich, der auch Catholica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch- Lutherischen Kirche Deutschlands ist, hatte im Vorfeld die Hoffnung geäußert, in Deutschland könnten konfessionsverschiedene Ehepaare nach ihrer kirchlichen Heirat bald auch gemeinsam Abendmahl beziehungsweise Eucharistie feiern. Friedrich hatte bei dem Treffen mit dem Papst diesen Reformschritt vorschlagen wollen.
Während des Gottesdienstes am Vormittag auf dem Islinger Feld kam es zu zwei Zwischenfällen. Ein Mann stürmte auf den Altarhügel zu. Der rund 100 Meter vom Papst entfernt im Ehrengastbereich sitzende Mann wurde laut Polizei von Sicherheitskräften niedergerungen. Über seine Identität und das Motiv wurde vorerst nichts bekannt. Zudem erlitt ein junger Mann einen Herzstillstand, konnte aber reanimiert werden.
Nach der Mittagspause hielt Ratzinger an der Regensburger Universität eine Vorlesung zum Thema «Glaube, Vernunft und Universität - Erinnerungen und Reflexionen». Dort hatte er vor seiner Ernennung zum Münchner Erzbischof von 1969 bis 1977 gelehrt. In dem rein akademischen Vortrag ermunterte der frühere Dogmatikprofessor die Hochschulen zum Dialog der Kulturen und Religionen.
Statt der Papst-Vorlesung hätte sich die Universität Regensburg nach Angaben ihres Sprechers lieber eine Diskussion mit Benedikt gewünscht. «Wir hatten uns ursprünglich vorgestellt, dass der Papst bei seinem Besuch an unserer Universität mit einer ausgewählten Runde - zum Beispiel mit Theologen - diskutiert», sagte Rudolf Dietze der dpa. «Sogar ein Streitgespräch wäre schön gewesen.» Angesichts des strammen Programms des Papstes sei dies leider nicht möglich gewesen.
In der Alten Kapelle von Regensburg will der Heilige Vater an diesem Mittwoch die «Benedikt»-Orgel weihen, der Rest des Tages ist dem privaten Teil des Papst-Besuches vorbehalten. Ratzinger wird bei seinem drei Jahre älteren Bruder Georg zu Mittag essen, das Grab seiner Eltern und Schwester besuchen sowie in seinem Pentlinger Haus vorbeischauen. Sein sechstägiger Heimatbesuch geht an diesem Donnerstag mit einem Abstecher in die Domstadt Freising zu Ende, wo beide Brüder vor 55 Jahren am selben Tag zu Priestern geweiht wurden.
Zuletzt geändert am 12.09.2006