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Veröffentlicht am 07­.09.2006

7. September 2006 - Stern 37/2006

„Es ist Winter in der Kirche“

Annegret Laakmann, 63, Referentin der katholischen Laienorganisation Wir sind Kirche, über rückschrittliche Positionen des Papstes, dessen Lebensferne und mangelnden Respekt gegenüber den Gläubigen.

stern: Frau Laakmann, freuen Sie sich auf den Papstbesuch?

Laakmann: Der Papst kommt nach Bayern, nicht nach Nordrhein-Westfalen. Es ist mir egal, ob er kommt und wohin er geht.

stern: Warum?

Laakmann: Seine Aufgabe ist es, sich um das Wohl der Kirche zu kümmern. Jeden einzelnen Glaubenden ernst zu nehmen. Wir versuchen seit Jahren ein Gespräch zu bekommen, mit dem Papst wie auch den Bischöfen, um unsere Vorschläge loszuwerden. Aber erst jetzt haben wir überhaupt eine Antwort bekommen, leider abschlägig.

stern: Was ärgert Sie denn am Papst und der Amtskirche?

Laakmann: Sein Pontifikat hat die Kirche bisher keinen Schritt weitergebracht. Es gibt immer weniger Priester und immer größere Gemeinden, Bischöfe herrschen selbstherrlich und setzten kleine demokratische Strukturen außer Kraft.

stern: Aber der Papst ist doch sehr beliebt?

Laakmann: Ja, er ist ein lieber alter Herr. So wie der „Weihnachtsmann“. Oder der „liebe Gott“. Aber in Wirklichkeit ist Benedikt weiterhin der gestrenge Hüter seiner Wahrheit. Was ihm fehlt, ist der Dialog und der Respekt gegenüber dem Kirchenvolk. Alles was er zur Ökumene, dem Zölibat, dem Priesteramt für Frauen, der Lebenswirklichkeit von Ehe und Familie sagt, entspricht nicht der Lebens-und Glaubenserfahrung der Menschen. Es ist Winter in der Kirche, immer noch.

stern: Womit erklären Sie sich dann die Popularität des Papstes?

Laakmann: Ich weiß es nicht, vielleicht ist das Zeitgeist. Ich weiß auch nicht, warum Madonna populär ist oder Michael Jackson. Es ist auf jeden Fall die Suche nach einem Fixstern, nach Halt und Orientierung. Aber da gibt die Kirche nicht die richtigen Antworten. Zum Beispiel, wenn man sich den Katechismus angeguckt, der die Spielregeln bestimmt. Da steht heute noch drin, dass unter anderem „Selbstbefriedigung und homosexuelle Akte Ausdruck des Lasters der Unzucht“ seien.

stern: Aber den Katechismus hat doch nicht der Papst geschrieben. Der ist doch älter?

Laakmann: Vonwegen. Kardinal Josef Ratzinger hat an dem 1992 erschienenen Katechismus entscheidend mitgewirkt. Aber viel dramatischer und entscheidender für die Menschheit war die auch von Kardinal Ratzinger verantwortete Zerschlagung der Befreiungstheologie. Das waren engagierte Leute, Laien, Priester und Bischöfe, die sich in Südamerika aufgelehnt haben gegen Terror und Diktatur. Und sich für ein menschenwürdiges Leben einsetzten, ohne Hunger und für die Möglichkeit, für sich selbst einstehen zu können. Da ist der Papst auch für viel Elend verantwortlich.

stern: Gehört zum Elend auch das Verbot von Kondomen?

Laakmann: Ist doch klar, dass Kondome überlebenswichtig gegen die Weiterverbreitung von Aids sind. Aber nicht nur. Das Verbot von Kondomen bedeutet auch das Verbot von Verhütung. Ich finde, da sollte sich die Kirche raushalten. Das ist die Gewissensentscheidung eines jeden Menschen, und da hat der Papst nicht reinzureden.

stern: Sind Sie immer noch in der Kirche?

Laakmann: Ja, selbst nach den Richtlinien der deutschen Bischofskonferenz. Die Bischöfe haben ja kürzlich wieder erklärt, nur wer Steuern zahlt, gehört dazu.

stern: Wieviel Masochismus gehört dazu?

Laakmann: Jetzt muss ich wirklich lachen. Dass ich durch sie leide, hat die Amtskirche noch nicht geschafft. Mich hält mein Glaube in der Kirche. Auch wenn die Päpste keine Ahnung von Frauen haben.
INTERVIEW: ULRICH HAUSER.

Zuletzt geändert am 14­.09.2006