14. September 2006 - Wiesbadener Kurier
Papst nimmt den Koran ins Visier
Von Matthias Hoenig und Peer Meinert
MÜNCHEN/ROM Dass Papst Benedikt XVI. dem Dschihad, dem Heiligen Krieg im Islam, eine Absage erteilte, hat den sechstägigen "Heimatbesuch" in Bayern von der Provinz noch einmal spektakulär in die Welt getragen. "Papst Ratzinger exkommuniziert das Schwert Mohammeds", titelte die römische Zeitung "La Repubblica" gestern. Dahinter verblasste aus internationaler Sicht die Bilanz der heute zu Ende gehenden Reise für Bayern, die Zukunft des Glaubens in Deutschland und die Annäherung von Katholiken und Protestanten.
"Wehe dem, der den Glauben gegen die Vernunft und gegen Gott aufzwingen will", spitzte die Zeitung die Islam-Schelte Joseph Ratzingers zu. Er hatte den Vortrag in der Universität Regensburg gehalten, wo er früher Dogmatik lehrte. Der Papst hatte aus einem historischen Dialog des Kaisers Manuel II. Phaleologus mit einem gebildeten Perser über das Christentum und den Islam zitiert - geführt im Winterlager zu Ankara 1391 und vom Kaiser aufgezeichnet wohl ein paar Jahre später während der Belagerung Konstantinopels (1394-1402). Es geht darin um die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gewalt, und Ratzinger zitiert - für heutige Moslems womöglich provozierend - den Kaiser: "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten. . . Gott hat keinen Gefallen am Blut..."
Nicht vernunftgemäß
Und Ratzinger fasst mit eigenen Worten zusammen: Nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. "Für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent. Sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die Vernünftigkeit." Den Unterschied im Gottesbild zwischen Christentum und Islam sieht der Papst als große Gefahr: "Hier tut sich ein Scheideweg im Verständnis von Gott und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf.
Ratzinger dürfte mit dem "Blitzstrahl dieses antikoranischen Zitats" ("La Repubblica") wenige Monate vor seinem Besuch in der Türkei für Aufregung in der islamischen Welt sorgen. Und dass der Papst zudem auf eine Sure aus dem Koran verwies, wonach "kein Zwang in Glaubensfragen" ausgeübt werden dürfe, macht die Sache nicht weniger brisant. Die pazifistische Lesart zu Gunsten der so genannten gemäßigten Muslime werde die Entrüstung des radikalen Flügels hervorrufen, prophezeite die italienische Zeitung "Corriere della Sera".
Ganz andere Eindrücke hat der Besuch des Papstes in Bayern hinterlassen. Die Macht der Bilder ist noch frisch: Hunderttausende, wenn auch weniger als erwartet, kamen zu seinen feierlichen Messen unter freiem Himmel und vermittelten das Bild einer intakten Kirche. Weihrauch, Choräle und Fanfaren begleiteten Benedikt XVI. am Altar oder wenn er im Papamobil durch die Reihen der Gläubigen fuhr. Berührend, wie der 79-Jährige in seinem Geburtsort Marktl an seinem Taufbecken mit seinem Bruder Georg verharrte.
Der Enthusiasmus der Pilger mit rhythmischen "Benedetto"-Rufen oder Tränen der Rührung kann aber nicht überdecken, dass in Deutschland das Christentum auf dem Rückzug ist: In seinen Predigten stellte der 79-Jährige denn auch eindringlich die Weitergabe des Glaubens in den Mittelpunkt - und die Rede von Gott. Ratzinger machte klar, dass die Menschen mit dem katholischen Glauben nicht auf dem Holzweg seien, sondern der Atheismus ein Irrweg sei.
Viele Themen ausgespart
Viele Gottesdienstteilnehmer äußerten sich begeistert, fühlten sich spirituell aufgeladen. "Papst Benedikt versteht es meisterhaft, tief theologische Dinge in einfache Worte zu fassen. Das ist seine große Kunst", sagte Kardinal Walter Kasper. Enttäuschung herrschte bei jenen, die Fortschritte in der Ökumene oder in einer Aufwertung der Laien für die Kirche erwartet hatten. Hier verzichtete der Papst auf jede konkrete Initiative. Zum gemeinsamen Abendmahl mit Protestanten oder zum Zölibat gab es keine Äußerungen. "Es hat kein Hoffnungszeichen gegeben", sagte Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung "Wir sind Kirche".
Zuletzt geändert am 14.09.2006