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Veröffentlicht am 24­.09.2012

24.9.2012 - spiegel.de

Tagung der Deutschen Bischofskonferenz "Trotz iPads nicht in der Jetztzeit"

Von Simone Utler

Die katholische Kirche steckt in der Krise, Gläubige erwarten von ihren Bischöfen Antworten auf drängende Fragen. Doch die Erwartungen an die Vollversammlung der Kirchenoberen in Fulda sind düster: Laien haben sich bereits auf eine Enttäuschung eingestellt.

Hamburg - Rückwärtsgewandtheit, Stagnation, Reformstau - kaum eine Institution tut sich derart schwer mit Veränderung wie die katholische Kirche. Die Konsequenzen sind seit Jahren deutlich sichtbar: Die Kirchenmitglieder stimmen mit den Füßen ab; auch die Zahl der Geistlichen geht zurück. Nicht nur Gläubige fordern Veränderungen, auch einige Priester und Bischöfe erheben inzwischen ihre Stimme. Entscheidende Beschlüsse lassen aber nach wie vor auf sich warten.

So ist die Erwartung reformfreudiger Katholiken eher düster, wenn die katholischen Bischöfe diese Woche in Fulda bei ihrer traditionellen Herbstvollversammlung über aktuelle Themen aus dem kirchlichen Leben beraten. Dabei widmen sich die 67 Mitglieder der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) durchaus kontroversen Themen - gezwungenermaßen.

"Die Frage ist lediglich, wie groß unsere Enttäuschung sein wird"

Geistliche und Laien begehren immer mehr auf gegen die Oberen. Initiativen mehren sich, wie die Forderung von mehr als 180 Priestern und Diakonen, wiederverheirateten Geschiedenen unter bestimmten Umständen die Teilnahme an der Kommunion zu ermöglichen. Oder der "Aufruf zum Ungehorsam" eines Wiener Pfarrers, der die Zulassung von Frauen zum Priesteramt verlangt und dem sich Hunderte Geistliche anschlossen.

Der Reformdruck steigt, die Bischöfe wollen sich in Fulda diesen Themen stellen. Ob es aber zu Fortschritten kommt, ist zweifelhaft: Mehr Einfluss für Frauen, ein liberaler Umgang mit Wiederverheirateten bleiben bei konservativen Vertretern Tabus.

Dabei ist etwas in Bewegung geraten: Seit Juli 2011 stehen die Bischöfe mit den Laien in einem Gesprächsprozess. Damals hatte die katholische Kirche auf einen offenen Brief reagiert, der von mehr als 240 deutschen Theologen unterzeichnet worden war und den Finger in die Wunde legte. Der Dialog ist bis 2015 angelegt.

Fragt man bei Laien nach, fällt die Einschätzung jedoch ernüchternd aus: "Man redet zwar miteinander, aber Hoffnungen auf konkrete Änderungen gibt es nicht. Die Frage ist lediglich, wie groß unsere Enttäuschung sein wird", sagt Christian Weisner von der Initiative Wir sind Kirche.

Oft "Nebelkerzen gezündet"

Das letzte Treffen zum Gesprächsprozess habe gezeigt, dass oft "Nebelkerzen gezündet" würden. So habe der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck zwar über homosexuelle Partnerschaften gesprochen, aber nicht gesagt, dass die Kirche bereit sei, diese anzuerkennen. "Nur weil iPads auf den Tischen liegen, ist die katholische Kirche noch nicht in der Jetztzeit angekommen."

Mitte September fand in Hannover das zweite Dialogtreffen statt. Im Anschluss war von einigen Beteiligten Lob zu hören, dass tatsächlich Reformen in Gang kommen könnten. Doch es zeigte sich auch wieder, wie gespalten das Lager der Bischöfe ist.

Der Gesprächsprozess krankt laut Weisner an elementarer Stelle: "Ein Teil der Bischöfe ist einfach beratungsresistent." Ungefähr ein Drittel der Bischöfe sehe den Reformstau und wäre zu Reformen bereit, aber ein Drittel sei total von Rom abhängig, und das letzte Drittel wisse nicht so recht, was es wolle. "Die Deutsche Bischofskonferenz ist gelähmt."

Zollitsch verteidigt harte Linie bei Austritt

Weisners Pessimismus wurde von dem kürzlich erlassenen Dekret der Bischofskonferenz bestätigt. Künftig sollen abtrünnige Gläubige von dem Pfarrer ihrer Gemeinde zu einem Gespräch über die Motive für ihren Austritt geladen werden. Und wer keine Kirchensteuer mehr zahlt, soll auch vom Gemeindeleben ausgeschlossen werden. So dürfen unter anderem Sakramente nicht empfangen und keine kirchlichen Ämter und Funktionen bekleidet werden.

"Dieses Prinzip des Pay and Pray ist ein völlig falsches Signal. Das Dekret der Bischöfe ist eher eine Drohbotschaft als eine Motivation für suchende Menschen", sagt Weisner. Die Kirche müsse der Krise ins Auge sehen, einen offenen Dialog suchen und sich auf ihre Botschaft besinnen, statt nur ihre Struktur retten zu wollen.

Tatsächlich sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Im Jahr 2011 wurden laut DBK lediglich noch 169.599 Menschen durch die Taufe in die katholische Kirche aufgenommen, 1990 waren es noch 293.390. Demgegenüber steht eine hohe Zahl von Kirchenaustritten: Seit 1990 waren es jährlich mehr als 100.000, im Jahr 2011 kehrten 126.488 Katholiken der Kirche den Rücken zu.

Zum Auftakt am Montagnachmittag verteidigte der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch die harte Linie im Umgang mit Kirchenaustritten. Es müsse Konsequenzen haben für Menschen, die sich in einem öffentlichen Akt von der Kirche distanzierten. Der DBK-Vorsitzende stellte aber in Aussicht, dass sich die Bischöfe mit der Frage beschäftigen werden, wie sich Wiederverheiratete in der katholischen Kirche wieder "heimisch" fühlen könnten.

Der Vorsitzende vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend sieht die katholische Kirche an einer entscheidenden Stelle. "Wir verharren seit längerem an einer Weggabelung, an der es zu entscheiden gilt, ob wir uns der Welt zuwenden und wenn ja, wie", sagt Dirk Tänzler. Die katholische Kirche könne sich nicht abschotten, sondern müsse Brücken bauen, um der Welt die Botschaft Jesu nahezubringen.

"Es müsste Bewegung erkennbar werden"

"Für den Erfolg der Herbsttagung ist entscheidend, ob es den Bischöfen gelingt, transparent über die Beschlüsse aus dem Gesprächsprozess in Hannover zu informieren und diese konkret anzugehen", so Tänzler.

Tänzler zufolge verliefen die Gespräche in Hannover gut und brachten Ergebnisse bei drei wichtigen Themenkomplexen: der Rolle der Frauen, der Überarbeitung der Glaubens- und Sittenlehre - also beispielsweise die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder dem Zusammenleben ohne Trauschein - und der Notwendigkeit, die kirchliche Sexualmoral in eine verständliche Sprache zu bringen.

Dietmar Mieth, emeritierter Professor für Theologische Ethik und Sozialethik, sieht dringenden Handlungsbedarf an den 2011 erneut angestoßenen Themen. "Beim Pflichtzölibat, priesterlichen Ämtern für Frauen und der Inklusion wiederverheirateter Geschiedener müsste Bewegung erkennbar werden", so Mieth.

Mieth hofft, dass die rund 200 Priester, die zuletzt öffentlich Reformen gefordert haben, noch mehr Solidarität finden und nicht nur vorübergehend gehört werden. Zwischen 1990 und 2011 ist die Zahl der katholischen Priester in Deutschland von gut 20.000 auf unter 15.000 gesunken. "Die Not der Priester ist ehrlich und echt", sagt Mieth.

mit Material von dpa und dapd

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/deutsche-bischofskonferenz-erwartungen-an-die-herbsttagung-a-857658.html

Zuletzt geändert am 24­.09.2012