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Veröffentlicht am 29­.09.2012

29.9.2012 - Publik-Forum

Zwang, Geld und Glaube

von Hartmut Meesmann

Der Rechtsstreit um die Kirchensteuer in Deutschland ist entschieden. Kläger Hartmut Zapp hat vor Gericht verloren, ist aber aus ganz eigenen Gründen zufrieden mit dem Urteil. Für Richter, Bischöfe und Vatikan ist klar: Ein »Teilaustritt« aus der Kirche ist nicht möglich. Doch überzeugt das theologisch? Der freundliche ältere Herr ist seltsamerweise zufrieden. Hartmut Zapp, ehemals Professor für katholisches Kirchenrecht in Freiburg, hat zwar vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in letzter Instanz verloren. Denn das Gericht entschied, dass ein »Teilaustritt« oder »modifizierter Austritt« aus der katholischen Kirche nicht möglich sei. Dass Zapp aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts austreten wolle, nicht aber aus der Glaubensgemeinschaft, gehe nicht. Dennoch erwartet der 73-Jährige, dass die von ihm angestoßene Debatte über die Verfasstheit der Kirchen in Deutschland einschließlich des Kirchensteuersystems nunmehr weitergeht.

Für die weltlichen Richter wie für die katholischen Bischöfe ist in diesem Fall unerheblich, wie die Kirche konkret verfasst ist - ob als Verein auf Spendenbasis oder wie in Deutschland als Körperschaft öffentlichen Rechts, was mit gewissen Privilegien verbunden ist: Austritt bleibt Austritt. Wer also wie Zapp das deutsche Kirchensteuersystem insgesamt ablehnt oder aus anderen kirchenpolitisch-theologischen Gründen mit dem Kurs der Bischöfe hadert, sich aber weiterhin als Katholik versteht, der oder die steht nun vor einem klaren Entweder-oder: Entweder tapfer in den eigenen Reihen für die eigene Überzeugung streiten - oder aus der Kirche austreten.

Kirchensteuerverweigerung - das ist für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, Solidaritätsverweigerung. Es sei die Pflicht eines jeden Katholiken und jeder Katholikin, die eigene Glaubensgemeinschaft finanziell zu unterstützen, so sein Argument; zumal zwei Drittel der Katholiken (Rentner, Kinder, Arbeitslose) keine Kirchensteuer bezahlen müssten und die Kirche ja auch vielfältige Leistungen für die gesamte Gesellschaft erbringe, etwa im Sozial- und Bildungswesen. Pate steht hier das staatliche Steuersystem: Es ist keinem Bürger erlaubt, die Zahlung seiner Steuern zu verweigern, weil er mit deren Verwendung ganz oder in Teilen nicht einverstanden ist.

Der Kirchenrechtler ist ein katholischer Freikirchler: Mal was Neues

Nur: Lässt sich eine solche Position einfach auf die Kirche übertragen und theologisch wirklich gut begründen? Glaubt nur der, der einer Gemeinschaft angehört? Und kann man die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft von Zahlungsverpflichtungen abhängig machen? Hartmut Zapp hat immer erklärt, dass es ihm im Kern nicht ums Geld gehe, sondern um das deutsche Zwangssystem insgesamt. Er ist gewissermaßen ein katholischer Freikirchler. Seine Vorstellung ist, dass sich die Kirche ausschließlich durch Spenden finanzieren sollte - eine Position, die auf evangelischer Seite zum Beispiel der Dietrich Bonhoeffer Verein vertritt. Und auch jene Christen, die sich im Verein zur Umwidmung der Kirchensteuer zusammengefunden haben, wollen ihr Geld nicht zu Hause horten, sondern gezielt Projekten ihrer Wahl zukommen lassen, die sie aus politisch-theologischen Gründen für wichtig halten.

Ist die Kirche theologisch betrachtet also eine Zwangsveranstaltung, sobald man getauft worden ist? Auch führende Vertreter der römischen Kirchenleitung bis hin zum deutschen Papst selbst betrachten das weltweit einmalige Staat-Kirche-System in Deutschland durchaus mit Skepsis. Kurienvertreter haben mit den deutschen Bischöfen lange darüber gestritten, ob eine Austrittserklärung vor dem Standesamt automatisch als Austritt aus der Glaubensgemeinschaft zu werten sei. Für die Römer war und ist das so eindeutig nicht.

Überzeugt Zollitsch Zapp? Oder läuft es eher umgekehrt?

Jetzt haben sie die deutsche Kirche dazu verpflichtet, mit allen Austrittswilligen ein Gespräch über deren Gründe zu führen. Denn nur wenn der Abschied vom Glauben in der Kirche selbst klar zum Ausdruck gekommen sei - etwa gegenüber dem zuständigen Ortspfarrer -, könne, so die Römer, von einem wirklichen Kirchenaustritt die Rede sein. Hartmut Zapp selbst übrigens freut sich, wie er sagt, auf dieses Gespräch. Er wird es mit seinem Bischof Robert Zollitsch führen. Wer da wohl wen überzeugen wird?

Für den Freiburger Kirchenrechtler war immer auch die automatische Exkommunikation jener problematisch, die auf dem Standesamt oder vor dem Amtsgericht ihren Austritt aus der Körperschaftskirche erklären. Exkommunikation meint den Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft: also den Verlust aller Mitgliedschaftsrechte, zum Beispiel kirchlich getraut oder beerdigt zu werden. Nach der Vereinbarung der deutschen Bischöfe mit dem Vatikan, die in ein amtliches Dekret der Bischofskonferenz gegossen wurde, erfolgt jetzt zwar keine automatische Exkommunikation mehr. Die Austrittswilligen werden jedoch in einem Brief auf die Folgen ihrer Entscheidung hingewiesen - und die sind faktisch dieselben. »Exkommunikation light« nennt dies die Süddeutsche Zeitung spöttisch.

Für theologisch fragwürdig hält die Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche die neue Regelung. Selbstverständlich habe eine Glaubensgemeinschaft das Recht, von ihren Mitgliedern eine finanzielle Unterstützung zu erhalten. Wer diese Unterstützung verweigere oder nur eingeschränkt leiste, dürfe jedoch nicht mit der »vollständigen Ausgrenzung von den Sakramenten« bestraft werden. Wir sind Kirche plädiert für andere Modelle der Kirchenfinanzierung. Die Kirchenreformer verweisen beispielhaft auf die Schweiz, »wo innerhalb eines dualen Systems die Kirchensteuer ausschließlich durch gewählte Laiengremien auf der Ebene der Kirchengemeinde von unten nach oben verwaltet wird«.

Das Schreiben an die Austrittswilligen, das die Bischöfe vorgelegt haben, ist vielfach auf Kritik gestoßen. Zu Recht. Denn es zählt vor allem die Rechtsfolgen auf, die mit einem Kirchenaustritt verbunden sind. Eine einfühlsam-werbende Diktion, die die Bereitschaft erkennen ließe, sich mit den Motiven des Ausgetretenen ehrlich auseinanderzusetzen, fehlt. Somit ist der Brief in der Tat »Teil des Problems« (Süddeutsche Zeitung), das die katholische Kirche heute mit der Gesellschaft hat - und zunehmend auch in den eigenen Reihen. Die Bischöfe haben noch immer nicht verinnerlicht, wie groß die Distanz vieler Menschen zu Glaube und Kirche (geworden) ist - und dass die Verteidigung von Macht und Geld auf Dauer mehr schadet als nützt. Hoffentlich geht so mancher Pfarrer - oder »Laie« - sensibler mit den Menschen um, die ihre Kirche aus welchen Gründen auch immer verlassen möchten. Hartmut Zapp jedenfalls will mit der Kirche als Körperschaftsinstitution auch künftig nichts zu tun haben. Der Mann bleibt konsequent.

http://www.publik-forum.de/religion-kirchen/artikel/zwang-geld-und-glaube-online?idw=20129908

Zuletzt geändert am 28­.09.2012