14. September 2006 - 16:07 Uhr - InfoRadio
Der Papst hat Bayern verlassen - welche Eindrücke bleiben?
"Ich bin nach Deutschland gekommen, um meinen Landsleuten die ewigen Wahrheiten des Evangeliums erneut nahe zu bringen und die Gläubigen zu stärken in der Treue zu Christus."
Für den katholischen Theologen und Kirchenkritiker Eugen Drewermann beginnen genau da die Probleme. Die Lehre von der Unfehlbarkeit des Pontifex ist "das ganze Problem des Katholizismus", sagt er. Und die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" wirft dem Papst zu starres Festhalten an den kirchlichen Traditionen vor. Benedikt XVI. müsse sich die Frage gefallen lassen, "ob er die Kirche weit genug für das neue Jahrtausend öffnet".
Die Einschätzung von Prof. Hans Küng, katholischer Theologe und Präsident, "Stiftung Weltethos für interkulturelle und inter-religiöse Forschung, Bildung, Begegnung". Sabine Porn sprach mit dem Theologen.
Das Interview im Wortlaut:
Porn: Welche Bilanz ziehen Sie nach diesen sechs intensiven Tagen des Papstes in Deutschland?
Küng: Es ist zweifellos eine zwiespältige Bilanz. Bendedikt XVI. hat keine der Hoffnungen reformorientierter Katholiken und Protestanten erfüllt. Ich muss sagen - ich kenne ihn seit langer Zeit - persönlich wirkte er auch in der Öffentlichkeit sehr sympathisch, den Gläubigen nahe. Er war jedenfalls kein Medienpapst mit Schauspielertalent wie sein Vorgänger, der um Beifall heischt, vielmehr einer, der sich auf die zentrale Wahrheit des Christentums - nämlich den Glauben an Gott - konzentriert. Doch ließ er hart jegliche Offenheit in der Kirche vermissen. Offenheit für Reformen genauer gesagt.
Porn: Sie haben gesagt, Sie kennen den Papst schon sehr lange, also noch aus einer Zeit, da er nicht Benedikt hieß, sondern Joseph, seinerzeit an der Universität in Tübingen, wo Sie beide als junge Professoren arbeiteten. Später haben Sie ihn sehr häufig als reformunwillig kritisiert, wie gerade auch, ihn aber auch als Papst der Liebe gelobt. Sind das noch Ihre sehr persönlichen Erfahrungen aus den frühen Jahren?
Küng: Ich habe vier Stunden mit ihm in Castel Gandolfo geredet. Im Gegensatz zu einer früheren Begegnung - nach diesem großen Konflikt mit dem Vatikan - hat er wieder sehr natürlich gewirkt. Ich habe ihn damals 1982/83 - glaube ich - in Bayern gesehen, da hat er sehr steif gewirkt und es war schwer mit ihm zu reden, dieses Mal nicht. Er hat jetzt auch seine beste Seite gezeigt als er in Deutschland war. Er kann ja persönlich sehr liebenswürdig sein, es war - das muss man ganz klar sagen - eine sehr wirksame Charme-Offensive.
Porn: Das auf der einen Seite. Auf der anderen Seite meinen einige Kritiker, dass es mit Benedikt XVI. keinerlei Hoffnungen auf Reformen gibt.
Küng: Ich würde nicht ganz so weit gehen wie andere, die überhaupt keine Hoffnung sehen. Ich meine, er wird doch auch überlegen, wenn er zurückkommt, ob das so weitergeht. Ich sehe ihn so irgendwie wie den amerikanischen Präsidenten Bush, der zuerst einmal in Airforce One über die überschwemmte Stadt New Orleans und die Küste fliegt, und dann doch heruntersteigen musste. Der Papst hat vieles ja nur aus der bayerischen Fest-Perspektive gesehen. Er hat nie davon geredet, dass z.B. schon Franken schließlich zum Großteil protestantische Christen sind. Dass das alles, in Magdeburg z.B. bei Ihnen in der Nähe, wo nur sieben Prozent Christen registriert sind, noch einmal ganz anders ausgesehen hat. Das kann er sich natürlich auch sagen und ich kenne ihn als einen intelligenten, reflektierten Menschen, der sich jetzt auch sicher die Reaktionen anschaut und sicher nicht auf die Jubelberichte achtet.
Porn: Lassen Sie uns noch bei den Reformen bleiben. Was wäre für Sie wünschenswert, und auch vordringlich? Wo müsste die Katholische Kirche, wo müsste vielleicht der Papst drüber nachdenken, sich von Althergebrachtem zu verabschieden?
Küng: Wenn man an die pastorale Situation der Katholischen Kirche denkt, dann ist das verheerend, wie das langsam in unseren Pfarreien aussieht, denken Sie an München. Das weiß er übrigens alles. Es sind so viele Pfarreien verweist wie überall und das wirkt sich aus. Man versucht jetzt zwar, das alles zusammenzulegen, aber die Menschen sind gar nicht glücklich damit. Die Nachbargemeinden sind sich einander meistens nicht so wohlgesinnt, dass sie in die Kirche der anderen gehen wollen. Es gibt keine Pfarrer mehr, mit denen man sich identifizieren kann, er kommt ja nur noch zum Messe lesen, sagt man. Das ist eine ganz schlimme Situation. Da wäre es im Grunde sehr einfach, der Papst könnte gestatten, dass - sagen wir mal - als erste Stufe, reife Männer hat man da immer gesagt, die schon verheiratet sind - es gibt ein paar Dutzend oder ein paar hundert Laien-Theologen - die könnte man natürlich ordinieren, die wären ja vorbereitet. Ein weiterer Schritt wäre, dass man den jungen Seminaristen die Wahl offen lässt. Ich kann das nicht verstehen, dass man das nicht überlegen will, obwohl es doch schon im Neuen Testament heißt, ein Bischof soll nur eine Frau haben - jedenfalls nicht keine, aber auch nicht zwei. Nur eine Frau, das ist doch biblisch, und man weiß doch, dass dieses Kirchengesetz erst im 11. Jahrhundert als universales Gesetz eingeführt wurde. Es ist aber bezeichnend, dass Papst Benedikt in München und jetzt auch in Freising und in Regensburg, wenn er da für Priesterberufe warb, kein Wort vom Zölibatsgesetz gesagt hat.
Zuletzt geändert am 15.09.2006