| |
Veröffentlicht am 11­.01.2013

11.1.2013 - Hilpoltsteiner Zeitung (Nürnberger Nachrichten)

Hat die Kirche Angst davor, dass genau nachgeguckt wird?

Zum Scheitern einer Studie über die Missbrauchsfälle in der Kirche äußern sich Pfarrer im Dekanat Roth-Schwabach und „Wir sind Kirche“

Was ist aus der Aufklärungsbereitschaft geworden? Die katholische Kirche wollte reinen Tisch machen nach den Missbrauchsvorwürfen, die zu einer bis dahin nicht gekannten Austrittswelle führten und bis heute das Vertrauen in die Institution erschüttern. Wir erkundigten uns beim Sprecher der Diözesangruppe „Wir sind Kirche“, beim Rother Pfarrer Dr. Christian Löhr und beim stellvertretenden Dekan Erwin Westermeier.

ROTH/HILPOLTSTEIN — Offensiv ging die katholische Kirche mit dem Skandal um zigfachen Missbrauch von Kindern um — nur scheinbar? Jetzt wurde öffentlich, dass eine wissenschaftliche Studie zur Aufarbeitung der Gründe dafür kurzerhand geplatzt ist. Denn der mit dem Projekt beauftragte Kriminologe Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) stieg aus und beschuldigt die Deutsche Bischofskonferenz nun, das Projekt sei an „Zensur- und Kontrollwünschen“ gescheitert.

Umgekehrt wehrt sich der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, gegen die Vorwürfe und führt die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Mitarbeiter und deren schützenswerte Personaldaten an. Das Vertrauensverhältnis zu Pfeiffer sei erschüttert, die Kirche suche sich einen neuen Partner für das Projekt. Inzwischen hat sich auch Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) in die Debatte eingeschaltet und gefordert, dass die Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe nicht halbherzig sein dürfe, und der Kinderschutzbund wirft der katholischen Kirche vor, sich dem Thema nicht mehr stellen zu wollen. Was aber hält man in der Kirche vor Ort von den gegenseitigen Schuldzuweisungen? Was sagen Pfarrer und Gläubige zu den neuen Schlagzeilen?

„Wütend auf die Kirchenleitung“ ist Walter Hürter, „weil sie auf einmal einen Rückzieher macht“. Der Sprecher der Bewegung „Wir sind Kirche“ in der Diözese Eichstätt beklagt, dass die Bischöfe „aus fadenscheinigen Gründen den Datenschutz anführen und von gestörtem Vertrauensverhältnis reden“. Den Datenschutzvorwurf kann der seit vielen Jahren in der Gruppe „Wir sind Kirche“ aktive Ingolstädter überhaupt nicht nachvollziehen: „Pfeiffer ist selbst Jurist und war Staatsanwalt und Richter, in der Projektgruppe sitzen ebenfalls Staatsanwälte— diese Leute muss man nicht über Datenschutz belehren.“ Stattdessen glaubt er, dass die Kirchenoberen „einfach Angst haben, dass da genau nachgeguckt wird.“

In der Studie gehe es ja um die Ursachen für die Missbrauchsfälle, „und die liegen in der Struktur der Kirche, im übertriebenen Klerikalismus.“ Da werden Priester „auf ein viel zu hohes Podest gestellt“. Laut Hürter liegen die Ursachen auch im „Zwangszölibat und einem ins Ungeheuerliche übertriebenen Gehorsam“. Das alles erinnere ihn an die vor vier Jahren von Bischof Hanke verweigerte Berufung des Professors Ulrich Hemel an die Universität Eichstätt. Der Professor war damals bereits zum zweiten Mal verheiratet.


Ganz anders sieht der Rother Stadtpfarrer Dr. Christian Löhr die Dinge. „Es geht doch darum, wie mit sensiblen Personaldaten umgegangen wird“, verteidigt der Geistliche die Haltung der Bischofskonferenz. „Wenn im Raum steht, dass all diese Daten auf dem Markt der Möglichkeiten angeboten werden, dann müssen die Verantwortlichen doch zurückrudern!“

Große Transparenz

Die Kirche habe „versucht, die furchtbaren Vorkommnisse aufzuarbeiten —zuRecht in großer Transparenz und Offenheit“, wie Löhr betont. Nun aber versuche Pfeiffer, die Sache dafür zu nutzen, um Material für wissenschaftliche Arbeiten Fremden an die Hand zu geben.“ Und mit dem Material „kann man dann machen, was man will“, empört er sich — „aber man kann doch nicht Unrecht durch doppeltes Unrecht wettmachen.“ Mauschelei sei das keinesfalls, im Gegenteil, die Kirche sei sehr interessiert, den Prozess der Aufarbeitung fortzusetzen.

Der stellvertretende Dekan im Dekanat Schwabach-Roth, Pfarrer Erwin Westermeier aus Georgensgmünd, ist der Meinung, dass sich der Disput zwischen KFN und Bischofskonferenz „nicht bis in unsere Pfarrei auswirkt“. Viel wichtiger findet er, dass die Pfarreien beauftragt sind, heuer ein Konzept für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu entwickeln. Dieses Vorhaben der Diözese Eichstätt, im Oktober 2011 gestartet, hält Westermeier „für sinnvoll“. car

Zuletzt geändert am 12­.01.2013