| |
Veröffentlicht am 28­.01.2013

28.1.2013 - Süddeutsche Zeitung

Seine Exzellenz weckt Hoffnungen

Regensburgs neuer Bischof Rudolf Voderholzer setzt sich bei seiner Weihe deutlich vom unbeliebten Vorgänger Gerhard Ludwig Müller ab: Er spricht mit Kritikern und kündigt an, er wolle auf alle Menschen zugehen - unabhängig von deren Konfession

VON WOLFGANG WITTL

Regensburg - So verheißungsvoll sich das Kennenlernen zwischen dem neuen Bischof und seinen Gläubigen auch anlässt - ein paar kleinere Anlaufschwierigkeiten sind dann doch zu beobachten. Als eine Frau in der schier endlosen Schlange der Gratulanten den neuen Oberhirten endlich um ein Autogramm und seinen Segen bitten kann, wagt sie ihn vor Ehrfurcht fast nicht anzusprechen. Dabei kennen sich die beiden offenbar sogar. "Waren wir nicht einmal per Du?", fragt Rudolf Voderholzer plötzlich. Schon, stammelt die Frau, nur jetzt, wo er doch Bischof sei . . . Aber so braucht sie Rudolf Voderholzer nicht zu kommen. Noch ehe die Frau fertig gesprochen hat, wischt er ihre Bedenken mit einer Handbewegung beiseite. Kommt ja gar nicht infrage, heißt das, dass er sich als Bischof von den Menschen zu entfernen gedenke. Seine Botschaft lautet: Ich verstehe mich als einer von euch - und schon lange nicht mehr sind einem Regensburger Bischof die Herzen dafür so zugeflogen.

Fast drei Stunden dauerte am Samstag Voderholzers Weihe zum 78. Bischof von Regensburg. 2000 Menschen harrten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Dom aus, der eigens mit Bierbänken bestückt worden war. In drei weiteren Kirchen wurde die Amtseinführung auf Videoleinwänden übertragen. Voderholzer, mit 53 Jahren der Jüngste unter den bayerischen Bischöfen, hatte sich vor wenigen Tagen noch zur inneren Einkehr in ein Kloster zurückgezogen. Nun ruft er mit fester Stimme: "Ich bin bereit." Hauptkonsekrator Kardinal Reinhard Marx , der den gebürtigen Münchner vor Jahren als Dogmatikprofessor nach Trier geholt hatte, spricht von einer "Mission impossible", die einem das Bischofsamt in der heutigen Zeit oft abverlange. Auf den "lieben Mitbruder" werde viel Arbeit zukommen. Doch an Arbeitsfreude mangelt es dem neuen Oberhirten nicht. Neben seiner Professur in Trier wirkte Voderholzer zuletzt als Seelsorger, leitete in Regensburg das Papstinstitut Benedikt XVI., das Joseph Ratzingers wissenschaftlichen Nachlass aufbereitet, und baute dessen Haus in Pentling zur theologischen Begegnungsstätte um. Zwei Tage, bevor er am 6. Dezember zum Regensburger Bischof ernannt wurde, hängte Voderholzer dort selbst noch Vorhänge auf.

Viele der 1,2 Millionen Katholiken in Bayerns flächenmäßig größtem Bistum fragen sich, wo in der Diözese der neue Bischof zuerst anpacken will. Er habe von seinem Vorgänger ein wohlbestelltes Bistum übernommen, sagte Voderholzer. Doch die Vorwürfe am Führungsstil Gerhard Ludwig Müllers wollen auch Monate nach dessen Wechsel als Glaubenspräfekt nach Rom nicht abreißen. So soll Müller aus Regensburger Mitteln nicht nur Teile seines Gehalts und sein Haushaltspersonal weiter bezahlen lassen (oder Büromöbel mitgenommen haben), wofür ihn ein anonymer Briefeschreiber als "Nimmersatt" bezichtigt hatte, sondern er soll ungefragt auch den historischen Bischofsstab behalten haben, der eigentlich dem Bistum gehört. Einzelne Domherren sprechen offen von Diebstahl. Zudem soll Müller für seine neue Tätigkeit in Rom einen Verfügungsfonds von 30 000 Euro gefordert haben - ebenfalls bezahlt aus Regensburg. Bewilligt wurde ihm zähneknirschend angeblich ein Drittel der Summe. Beim Empfang im Kolpinghaus, zu dem sein ehemaliger Schüler Voderholzer nach dem Gottesdienst ausdrücklich die gesamte Bevölkerung geladen hatte, war Müller nicht anwesend.

Gekommen waren dafür einige Personen, die mit Gerhard Ludwig Müller gebrochen hatten. Fritz Wallner, der bei der umstrittenen Laienreform als Diözesanratsvorsitzender abgesetzt worden war, suchte mit dem neuen Bischof am Samstag ebenso das Gespräch wie Johannes Grabmeier (Laienverantwortung Regensburg) und dessen Frau Sigrid (Wir sind Kirche). Voderholzer vermittle einen sehr guten, unabhängigen Eindruck, lobte Wallner: Man versteht ihn. Das lässt hoffen, dass er auch uns versteht." Voderholzers bisherige Worte, etwa das Angebot an andere Kirchen zur Ökumene, weckten große Erwartungen, sagte Wallner: "Wir brauchen Frischluft in der Diözese, und die gibt er uns, so wie es aussieht." Ein erstes schönes Zeichen wäre nun, wenn Pfarrgemeinderäte künftig bald wieder öffentlich tagten.

So konkret wollte der neue Bischof am Tag seiner Weihe naturgemäß nicht werden. Dennoch schaffte er es, die Menschen zu begeistern. "Endlich wieder ein Mensch als Bischof mit Herz und Humor", sagte ein Mitarbeiter des Ordinariats. Seiner Mutter etwa dankte Voderholzer mit den witzigen Worten, sie sei hundert Tage älter als der Papst, habe aber immerhin vier Kinder auf die Welt gebracht. In der unter Müller teils resignierenden Priesterschaft verspüre er schon jetzt "ein großes Wohlwollen", dankte Voderholzer, noch dieses Jahr wolle er alle Regionen des Bistums besuchen. "Seien Sie mit mir Brückenbauer", rief er den Pfarrern zu. Eine Brücke ist auch Teil seines Bischofswappens, sie soll Verbindendes und Offenheit demonstrieren. Schon bei seiner Vereidigung hatte Voderholzer betont, er wolle auf alle Menschen zugehen. Dass er auf ein gemeinsames Miteinander setzt, bewiesen auch seine Worte im Dom. Er sei bereit, als Bischof voranzugehen, sagte Voderholzer: "Aber ich brauche Euch, ich brauche Sie alle. Ohne Euch geht es nicht."

Zuletzt geändert am 28­.01.2013