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Veröffentlicht am 17­.02.2013

17.2.2013 - 16vor aus Trier

“Das haben die Bischöfe noch nicht begriffen!”

Erstmals seit 30 Jahren findet eine Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz wieder in Trier statt. 66 Bischöfe und Kardinäle werden ab diesem Montag im ERA-Kongresszentrum tagen, erwartet werden außerdem Kleriker aus mehreren Erdteilen. Nach dem angekündigten Rücktritt des Papstes rechnen manche schon mit einer Art Mini-Konklave, doch dürfte Benedikts historische Entscheidung eher im informellen Teil des Treffens eine Rolle spielen. Die Kirchenvolksbewegung hingegen hofft auf ein deutliches Signal aus Trier: “Wir brauchen einen neuen Führungsstil und mehr Dezentralisierung, so wie das Zweite Vatikanische Konzil es bestimmt hat”, verlangt Christian Weisner von “Wir sind Kirche”. Mehrere Initiativen und Verbände wollen mit einem kritischen Begleitprogramm die Missbrauchsaffäre in den Mittelpunkt rücken.

TRIER. Die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN), die Abweisung eines mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers durch zwei katholische Kliniken, die bedenklichen Äußerungen des Kölner Kardinals Joachim Meisner (“Katholikenphobie”) sowie des ehemaligen Regensburger Bischofs und heutigen Präfekten der römischen Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, der eine “Pogromstimmung” gegen seine Kirche ausgemacht haben will – wieder einmal bläst dem Klerus gehörig der Wind ins Gesicht. Einmal mehr hat die katholische Kirche hierzulande selbst gläubige Christen verschreckt, da kündigt im fernen Rom der Pontifex seinen Rücktritt an – exakt eine Woche, bevor sich im selbst erklärten “Rom des Nordens” der deutsche Episkopat treffen wird. Nach Benedikts historischer Entscheidung dürfte der Trierer Versammlung noch mehr mediale Aufmerksamkeit beschert sein, als ohnehin schon zu erwarten war.

Bereits am Montagvormittag, wenn sich auf Einladung von Luxemburgs Erzbischof Jean-Claude Hollerich einige der Exzellenzen und Eminzenzen in Echternach treffen werden, dürfte die Papst-Personalie eine Rolle spielen. Schließlich steht die katholische Kirche an einem Wendepunkt. “Sicherlich wird auch der angekündigte Rücktritt von Papst Benedikt XVI. ein Thema sein – die Ankündigung bewegt die Bischöfe natürlich sehr”, erklärt Stephan Ackermann. Allerdings werde dieses Thema “eher inoffiziell und nicht im Rahmen der offiziellen Tagesordnung” behandelt, erwartet der Trierer Bischof. Die Kirchenvolksbewegung hingegen hofft auf mehr: “Der angekündigte Rücktritt des Papstes und die längere Zeit, die den Kardinälen jetzt bis zum Konklave bleibt, bieten eine große Chance. Vor den Personaldebatten sollte jetzt ein intensiver Dialog über den künftigen Kurs der Kirche geführt werden, auch mit dem Kirchenvolk”, sagt Christian Weisner von “Wir sind Kirche” und verlangt: “Aus meiner Sicht müssen die Bischöfe wieder mehr Verantwortung vor Ort übernehmen und nicht alles nach Rom delegieren. Dieses Signal kann von Trier ausgehen: Wir brauchen einen neuen Führungsstil und mehr Dezentralisierung, so wie das Zweite Vatikanische Konzil es bestimmt hat.”

Ob von Trier tatsächlich ein Signal in Richtung Rom ausgehen wird, scheint indes fraglich. Allerdings dürften einige der Bischöfe daran interessiert sein, den sechs deutschen Wahlmännern etwas mit auf den Weg ins Konklave zu geben. Mit Karl Lehmann, Joachim Meisner und dem ehemaligen Kurienkardinal Walter Kasper waren gleich drei von ihnen schon an der Wahl Benedikts beteiligt. Für Reinhard Marx, Rainer Maria Woelki und dem in Rom wirkenden Paul Josef Cordes wird es das erste Mal sein, dass sie in der Sixtinischen Kapelle zur Urne schreiten dürfen.

Umfangreiches Begleitprogramm

Der Papst-Rücktritt dürfte der Versammlung in Trier wohl ein gesteigertes Medieninteresse bescheren, doch zahlreiche Verbände und Gruppen wollen mit einem kritischen Begleitprogramm und Protestveranstaltungen dafür sorgen, dass die bis vor Benedikts Ankündigung beherrschenden Themen nicht aus dem Blick geraten. Allen voran die Missbrauchsaffäre ruft Kirchenkritiker und -gegner auf den Plan. Im Schatten des Trierer Doms, der wie die Papstkirche in Rom den Namen “St. Peter” trägt, wird es eine mehrtägige Kundgebung geben. Zu den Veranstaltern zählt auch die Opferinitiative “Missbrauch im Bistum Trier”. Gleich nach der Ankündigung des Papstes empfahl MissBiT-Sprecherin Claudia Adams dem Trierer Bischof, sich ein Beispiel an Benedikt zu nehmen. Schließlich habe dieser seinen Rücktritt auch damit begründet, dass er seiner Aufgabe nicht mehr gerecht werden könne. Das gälte doch auch für Ackermann und dessen Funktion als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, so Adams. Vor drei Jahren, auf ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in Freiburg, hatten die Bischöfe dem 49-Jährigen diese undankbare Aufgabe übertragen.

Christian Weisner fordert zwar nicht direkt den Rücktritt Ackermanns, findet aber ebenfalls deutliche Worte: “Bischof Ackermann ist durchaus jemand, der für eine glaubwürdige Aufarbeitung des Missbrauchsskandals steht; schon wegen seines jungen Alters. Aber die Crux liegt darin, dass er gleichzeitig Anwalt der Betroffenen sein soll und als Bischof Dienstherr kirchlicher Angestellter ist. Das konnte nicht gut gehen und musste zu einem Rollenkonflikt führen.” Soll heißen: Den Trierer durch einen anderen Bischof auszutauschen, würde aus Sicht von “Wir sind Kirche” erst einmal nichts ändern. Ändern müsse die Kirche aber alsbald ihren Umgang mit Klerikern und Angestellten, die des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger überführt wurden: “Barmherzigkeit gegenüber den Tätern ist Unbarmherzigkeit den Opfern gegenüber. Das haben die deutschen Bischöfe noch nicht begriffen”, so Weisner.

Zu den Schwerpunktthemen des diesjährigen Treffens zählt die Missbrauchsaffäre nicht. Die Tagesordnung der Bischöfe dominieren andere Themen, etwa das neue “Gotteslob” oder der geplante Eucharistische Kongress. Auch der vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird beraten. “Mit Spannung schaue ich dem Studientag über das Zusammenwirken von Männern und Frauen im Leben und Dienst der Kirche entgegen sowie dem damit im Zusammenhang stehenden Vortrag des Referenten Walter Kardinal Kasper, dem früheren Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen”, sagt derweil Ackermann. Was die Protestveranstaltungen anbelangt, gibt sich der Bischof gelassen: Über die sei er informiert, und “es ist das gute Recht von Menschen, ihre Meinung kundzutun”. Von diesem Recht werde im Übrigen im Umfeld fast jeder Vollversammlung der Bischofskonferenz Gebrauch gemacht.

Bei Polizei sowie im Rathaus rechnet man auch nicht mehr größeren Einschränkungen infolge der Protestveranstaltungen. Wie viele Kritiker und Gegner des Episkopats kommen werden, ist noch völlig unklar. Das lasse sich schwer einschätzen, meint Weisner, schließlich liege Trier ein wenig abgelegen und fern von ICE-Verbindungen, auf jeden Fall für viele nicht gerade auf dem Weg. Ein Vorbote des Protest hat den Weg auf dem Domfreihof schon gefunden – ein Werk des Künstlers Jacques Tilly. Vergangenen Montag, als sich die Eilmeldungen aus Rom überschlugen, war Tillys Großplastik noch auf Düsseldorfs Straßen unterwegs.

Informationen zum Programm der Frühjahrs-Vollversammlung finden Sie auf der Homepage der Deutschen Bischofskonferenz. Das kritische Begleitprogramm von mehreren Initiativen und Verbänden finden Sie auf dieser Webseite.

von Marcus Stölb

http://www.16vor.de/index.php/2013/02/17/das-haben-die-bischofe-noch-nicht-begriffen/

Zuletzt geändert am 18­.02.2013