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Veröffentlicht am 21­.02.2013

21.2.2013 - epd

«Wir sind Kirche»: Papst hat Reißleine gezogen

Drei Fragen an Sprecher Christian Weisner

Frankfurt a.M. (epd). Papst Benedikt XVI. hat nach Ansicht der Reformbewegung «Wir sind Kirche» mit seinem Amtsverzicht ein Tabu gebrochen. Er habe damit «die absolute Macht des Papstamtes zumindest zeitlich begrenzt», sagte Sprecher Christian Weisner dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zu seinem Pontifikat äußerte sich Weisner zurückhaltend: «Papst Benedikt war vor allem um den Zusammenhalt der eigenen Kirche bemüht, und zu wenig um das Brückenbauen. Das gilt auch für den interreligiösen Dialog.» Die Bewegung «Wir sind Kirche» setzt sich ein für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche auf der Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965).

epd: Wird der Rücktritt von Papst Benedikt die katholische Kirche verändern?

Christian Weisner: Schon mit der doch überraschenden Ankündigung des Rücktritts hat Papst Benedikt die Kirche verändert, ein Tabu gebrochen. Er, der selber immer die Diktatur des Relativismus anprangerte, hat die absolute Macht des Papstamtes zumindest zeitlich begrenzt, relativiert. Sein Schritt verdient großen Respekt. Er ist aber auch ein Aufschrei, gewissermaßen ein «Burn out»-Signal: Dieses Amt einer Weltkirche mit mehr als einer Milliarde Gläubigen überfordert einen Menschen, vor allem wenn die Kurie nicht mehr der Führung des Papstes folgt. Als junger Theologe hat Ratzinger 1969 auf diese Falle des übertriebenen Zentralismus hingewiesen. Jetzt hat er selber die Reißleine gezogen.

epd: Sind die Chancen auf mehr Ökumene jetzt gestiegen, oder haben sie sich verschlechtert?

Weisner: Ich denke, Papst Benedikt ist selber enttäuscht, dass ihm nicht mehr Ökumene mit der Orthodoxie gelungen ist, die er so weit oben auf seine Agenda gesetzt hatte. Und wir Deutschen sind natürlich enttäuscht, dass er bei seinem letzten Besuch 2011 nur den katholischen Martin Luther (1483-1546) im Erfurter Augustinerkloster gewürdigt hat und nicht den Reformator Luther zum Beispiel in Wittenberg. Papst Benedikt war vor allem um den Zusammenhalt der eigenen Kirche bemüht, und zu wenig um das Brückenbauen. Das gilt auch für den interreligiösen Dialog.

epd: Im Weltkirchenrat, dem Dachverband der nicht-katholischen Christenheit, hat sich der Schwerpunkt von Europa und Nordamerika ja bereits verlagert auf Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Steht der katholischen Kirche nun etwas Ähnliches bevor?

Weisner: Ja, auf jeden Fall. Die meisten Katholiken leben ja schon jetzt in Lateinamerika. Der nächste Papst sollte auf jeden Fall einen weiten Blick für die Weltkirche haben. Noch wichtiger ist aber wohl, dass er die seit langem aufgestauten Probleme in der Zentrale, im Vatikan entschieden angeht. Das wird nur mit mehr Dezentralisierung und Delegation von Verantwortung gehen. Da könnte die römisch-katholische Kirche ja von den Kirchen der Reformation lernen.

epd-Gespräch: Stephan Cezanne

Zuletzt geändert am 21­.02.2013