20.2.2013 Publik-Forum
Zorn in der Kirche
> Foto Einen Karnevalswagen mit der Aufschrift "Verschweigen & Vertuschen" liehen Düsseldorfer Karnevalisten einem Aktionsbündnis aus, das während der Bischofskonferenz in Trier für die lückenlose Aufklärung des Missbrauchsskandals in der katholische Kirche demonstrierte. Ob die Bischöfe das lustig fanden? (Foto: pa/Frey)
Die von sexueller Gewalt von Priestern Betroffenen fordern umfassend Aufklärung. Etwas, was sie der Amtskirche nach vielerlei schlechten Erfahrungen und persönlichen Enttäuschungen kaum noch zutrauen.
Doch unter den katholischen deutschen Bischöfen herrscht Sprachlosigkeit. Journalisten fragen: »Wie soll es weitergehen in der Kirche? Jetzt, da die Wahl eines neuen Papstes bevorsteht?« Statt eine umfassende Antwort zu geben, laden der Kölner Kardinal Joachim Meisner – der seit vielen Jahren in einem erzkonservativen Paralleluniversum zu leben scheint – und der Konferenzvorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, zur Pressekonferenz mit einem einzigen Thema: Der Kölner Eucharistische Kongress im Juni 2013. In Köln, so sagen sie, solle die Verehrung der verwandelten Hostie den Menschen wieder nahe gebracht werden. Was geht in den Köpfen dieser Bischöfe vor? Offenbar sind sie beherrscht von der Sehnsucht nach Bewahrung. Eine sehr traditionelle Frömmigkeitsform wiederzubeleben, die im 19. Jahrhundert und bis vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) ihre hohe Zeit hatte, wird zum Ausdruck dessen.
Auf die Fragen der Gegenwart reagieren sie sprachlos. Gegen Ende ihrer Frühjahrskonferenz, die am morgigen Donnerstag, dem 21. Februar 2013, abschließt, wollen sie über das neue Kirchengesangbuch berichten, das zum Advent 2013 in den Gemeinden eingeführt werden soll. Brav hatten die deutschen Bischöfe ihre Liedauswahl nach Rom geschickt, zur vatikanischen Kontrolle.
Immerhin: Das Fallbeil der Zensur hat offenbar nicht alle kritischen Lieder des beliebten, holländischen Kirchenlied-Dichters Huub Oosterhuis (»Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr…«) getroffen. Das wird in vielen Pfarreien Freude auslösen – doch es bietet keine Antwort auf die Krise, in die sich die Bischöfe hineinmanövriert haben.
So sprachlos sie sind, so sprachmächtig ist die zornige Kirchenbasis. Eigens zur Trierer Bischofsversammlung hat sich ein Aktionsbündnis gegründet. Seine Kräfte stammen vornehmlich aus der Region Rheinland-Pfalz und Saarland. Die Akteure: Die Saarbrücker Initiative gegen sexuellen Missbrauch, www.schafsbrief.de, die Katholische Studierende Jugend (ksj) im Bistum Trier, MissBiT, die Selbstorganisation der Missbrauchten im Bistum Trier, und die Initiative Ehemaliger im Johanneum Homburg. Hinzu kommen die bundesweiten Reformer-Gruppen: Leserinitiative Publik, Initiative Kirche von unten und Wir sind Kirche.
Auf dem Domplatz von Trier haben sie einen Karnevalswagen aus Düsseldorf aufgebaut. Er stammt von Jacques Tilly. Für 550 Euro Spendengeld haben sie den Wagen nach Trier transportiert. Er zeigt einen rundlichen Bischof mit dampfendem Weihrauchfass, unter dessen rotem Mantel sich viele Aktenordner mit der Rückenaufschrift »Missbrauchsfälle« verbergen. Vor dem Bischof liegt ein Stapel leerer Aktenordner. Hermann Schell von der Blog-Aktion www.schafsbrief.de erklärt: »Wir weisen so auf die geschredderten und gefledderten Akten hin, die die Oberkirche zerstört hat – und die nun uns Betroffenen die Aufklärungsarbeit schwer machen.«
Jede Nacht fordert das Aktionsbündnis mit seiner Laser-Licht-Aktion »Aufklären!« die Bischöfe dazu auf, ihrer Pflicht nachzukommen. Allein: »Ich habe keine Hoffnung mehr, dass die Kirche es schafft, selbst für Aufklärung zu sorgen. Da ist der Staat gefragt«, sagt Schell. Thomas Schnitzler von MissBiT, der Betroffenen-Initiative im Bistum Trier, stimmt ihm ausdrücklich zu.
Die Bischöfe sprechen mit den Betroffenen im Aktionsbündnis, indem sie ihren Trierer Missbrauchbeauftragten, einen Pastoralreferenten, schicken. Doch immerhin hat der Trierer Bischof Ackermann dem Aktionsbündnis die Aula des katholischen Angela-Merici-Gymnasiums zur Verfügung gestellt. Dort tagt dann die mit knapp einhundert Teilnehmenden gut besuchte Abend-Diskussion »Struktureller Verrat? Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche«.
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Zuletzt geändert am 21.02.2013