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Veröffentlicht am 21­.05.2013

21.5.2013 - Neue Westfälische

„Glücklich mit dem Zölibat“

fast der ganze Artikel und der Kommentar beziehen sich auf Wir sind Kirche!

Erzbischof weiht acht junge Männer zu Priestern / Kritiker beklagen „verschlossene Gesprächskultur“

VON FREDERIK GRABBE

¥ Paderborn. Sich den Rest des Lebens dem Dienst der Kirche verpflichten – und auf Ehe und Kinder verzichten: Am Samstag empfingen acht Diakone aus dem Erzbistum im Paderborner Dom die Priesterweihe von Erzbischof Hans-Josef Becker. Während die Zeremonie im Dom stattfand, warteten vordemParadiesportal die Kirchenkritiker der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ auf Priester und Gottesdienst- Gänger. Sie protestiertenet wagegen das„Zwangszölibat“ und forderten das Priesteramt für Frauen. „Es ist wichtig, als Priester seine eigene Person zurückzunehmen und sie voll und ganz in die ihm aufgetragene Rolle einzubringen“, sprach Becker im überaus gut besuchten Dom. Er verglich das Priestertum mit dem Schauspielerberuf, da eine bestimmte Rolle erfüllt werde müsse. Die acht jungen Männer hatten sich während der Weihe flach auf den Boden des Altarraums zu legen: Ein Ausdruck, sich Gott in Jesus Christus zu übergeben. Durch Handauflegung wurden sie in die Gemeinschaft der Priester im Erzbistum aufgenommen. Becker schloss das Weihegebet mit der Bitte an den Schöpfer: „Gib diesen deinen Dienern die Würde des Priestertums.“

„Menschliche Traditionen sind nicht unumstößlich“

Von der Würde des Priestertumsausgeschlossen sind hingegen Frauen und verheiratete Männer – ein Umstand, den die kirchenkritische Bewegung „Wir sind Kirche“ vordemDom mit Flugblättern und Bannern beklagte. „Seit 18 Jahren stehen wir hier,undes hat sich nichts bewegt“, beklagte Manfred Dümmerkirchlichen Reformstau.Neben Kritik wollten die Protestler auch Glückwünsche an den Mannbringen:

„Wir sind nicht gegen das Priesteramt, im Gegenteil. Es geht darum, auf veraltete Zugänge dahin hinzuweisen.“ Theologisch ließe sich nach AuffassungDümmersetwa das Zölibat nicht begründen. Schließlichhabedas (katholische) Christentum eine 1.000-jährige, zölibatsfreie Geschichte hinter sich. „Die Kirche beruft sich bei ihren Haltungen auf biblische Schriften und auf Traditionen“, so der 62-Jährige. „Doch Traditionen sind von Menschen gemacht. Sie sind nicht unumstößlich.“

Auch zum Amtsverständnis innerhalb der katholischen Kirche hatten die gratulierenden Kritiker Einwände einzulegen. Es herrsche ein Mangel an Menschenwürde- und Demokratieverständnis. Das Vetorecht von Priestern bei Entschlüssen in Pfarrgemeinderäten etwa sei ein Beispiel, oder die Auswahl der Männer für die Priesterweihe und wo diese später eingesetzt würden – bei diesen Fragen hätten Gläubige kein Mitspracherecht. Am deutlichsten zeige sich dieser „MangelanDemokratie“ bei den Frauen: „Sie werden in Randbereiche gedrängt. „Firmungs- und Kommunionsunterricht dürfen sie erteilen, die Priesterweihe aber dürfen sie nicht erhalten. Das ist anachronistisch“, so Dümmer.

Von dieser kritischen Haltung bekam Alexander Plümpe nicht so viel mit. „Sicher, man sieht die Banner, man kriegt das ein oder andereArgumentzu hören“, so der frisch gebackene Priester aus Bad Wünnenberg. Er sei einfach froh, die sieben Jahre im Priesterseminar hinter sich zu haben. Das vergangene Jahr sammeltePlümpeals Diakon im Bielefelder Stadtteil Schildesche Erfahrung in der Seelsorge. Zwar hätte er ein Geschenk zur Priesterweihe von „Wir sind Kirche“ bekommen, „doch wird uns als Neupriester unterstellt, dass wir mit dem Zölibat ein Problem zu haben hätten. Dass ich mit dieser Form zu leben glücklich sein könnte, darauf kommen sie nicht.“ Ohnehin würden sich „echte“ Gespräche mit den Protestlern nach der Weihe nicht ergeben. Dafür sei einfach keine Zeit, sagte er, und drückte schon dem nächsten Gratulanten die Hand.

„Früher konnten wir noch zu den jungen Männern ins Priesterseminar und mit ihnen über unsere Beweggründe sprechen“, erzählte Dümmer. Seit dem Tod des ehemaligen Paderborner Erzbischofs Kardinal Degenhardt, sei dies nicht mehr möglich. „Eine Anfrage ist bis heute unbeantwortet geblieben“, rügte er eine „verschlossene Gesprächskultur“ mit dem Paderborner Erzbistum. Dümmer ist übrigens – bei allem Frust – noch nicht aus der Kirche ausgetreten. „Auftreten statt austreten“, laute seine Devise. „Man muss sich in seiner Gemeindeengagieren, sonst verändert sich nie etwas“, sagte er als jemand, der seinen Glauben liebt. Daher werde der Kirchenaustritt auch künftig kein Themafür ihn sein.





KOMMENTAR

Die bittere Erkenntnis zum Ende der Priesterweihe
So wird die Kirche nicht fit für die Moderne
Jedes Jahr das gleiche Bild: ImDomwerdenjungeMännerzu Priestern geweiht, draußen stehen Vertreter von „Wir sind Kirche“ und prangern vermeintliche Missstände innerhalb der katholischen Kirche an. KritikamZölibat, die Forderung nach Frauen und verheirateten Männern für das Priesteramt: Neue Forderungen sind das nicht.

Jedes Jahr gehen mehr Priester inden Ruhestand, als nachrücken. Auch das ist nicht neu. Doch statt zu reagieren, regiert der Stillstand. Sicher, fundamentale Fragen des katholischen Christentums werden in Rom entschieden. Doch sich gesprächsbereit zeigen, mit Andersdenkenden diskutieren – so könnte das Bistum zumindest seinenRespekt vor der Reformbewegung zeigen. Denn „Wir sind Kirche“ besteht aus gläubigen Christen. Ihre Stimme nicht zu hören, heißt Gläubige nicht ernst zunehmen.

Die geringe Zahl der Kirchenkritiker am Tag der Weihe zeigt vor allem eines: Viele sind frustriert, haben den Glauben an „ihre“ Kirche verloren. Sie stehen stellvertretend für Unzählige andere, die diesen Glauben schon lange verloren haben.

Durch das Desinteresse an einem Dialog kann und wird auch in einem einzelnen Bistum kein Umdenken einkehren. Vor allem kann Kirche – das ist die bittere Erkenntnis am Ende der Priesterweihe – so nicht für die Moderne fit gemacht werden.

paderborn@neue-westfaelische.de

Zuletzt geändert am 07­.06.2013