20.6.2013 - Radio Vatikan
Akzentverschiebungen und Reformanstöße nach 100 Tagen Franziskus
Tück spricht lieber von einer „Akzentverschiebung“: Dass Franziskus beispielsweise Gerechtigkeitsfragen größere Bedeutung beimesse, während Benedikt stärker auf die Frage nach der Wahrheit setzte, liege am lateinamerikanischen Kontext der Befreiungstheologie bzw. der Theologie des Volkes. Von hierher rühre Franziskus’ authentisch vorgelebte „Option für die Armen“. „Im Glauben ist das Vorbild entscheidend. Was nützen große Worte, wenn das Zeugnis fehlt?“, fragt der Guardian des Wiener Franziskaner-Klosters, Gottfried Wegleitner, und setzt die Antwort gleich hinzu: Franziskus sei ein authentisches „Vorbild für einen gelebten Glauben“. Durch seine Bescheidenheit „ist der Name ‚Franziskus’ tatsächlich zum Programm geworden“, die den „eigentlichen Reichtum“ des Glaubens aufscheinen lasse.
Mit solchen Akzentverschiebungen hat Franziskus nach Meinung von „Wir sind Kirche“ „keinen dogmatischen, sondern einen pastoralen Leitungsstil gezeigt“. In einer am Mittwoch in Innsbruck und München verbreiteten Erklärung lobt die kritische Bewegung „die einfachen, aber starken Gesten des barmherzigen und gütigen Dienstes“ von Franziskus in seinen ersten 100 Tagen als Papst. Das gebe Hoffnung, dass sich auch die Haltung der Kleriker und all jener verändern werde, „die noch an überholten Formen religiöser Praxis“ festhielten. Man appelliere an Franziskus, er möge seiner Linie trotz des Widerstandes „aus der Kurie und von etablierten kulturellen und wirtschaftlichen Interessen“ treu bleiben. Die Präsidentin der „Katholischen Aktion Österreich“ (KAÖ), Gerda Schaffelhofer, sieht hierfür aber noch keinen Grund zur Sorge. Sie betont, dass Franziskus selbst von den Priestern gefordert habe, mit dem „Geruch der Schafe“ inmitten ihrer Herde zu leben. Darin sieht einen „ermutigenden Anfang für ein neues Miteinander von Klerikern und Laien“.
„Einen Weg der Geschwisterlichkeit, der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens“ hat das der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, an diesem Donnerstag genannt. Für den Dogmatiker Tück wird diese Geschwisterlichkeit konkret in der Einberufung einer Kardinalskomission zur Kurienreform. „Franziskus macht offenbar mit der Idee der Kollegialität ernst und will die Kurienreform ernsthaft angehen.“ Ecclesia sepmer reformanda – die Kirche erneuert sich ständig, ruft auch der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker aus Österreich aus der eigenen Kirchenvergangenheit ins Bewusstsein und wünscht Franziskus „nur das Beste für seine Reformanliegen“.
(kap/kna 20.06.13 sib)
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Zuletzt geändert am 20.06.2013